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from Michaela Molthagen

„Macht es euch zur Aufgabe, Fremde zu lieben“ und „vergesst nicht, Fremde zu lieben!“ – So können wir zwei Aussagen der Bibel in Römer 12,13 und Hebräer 13,2 übersetzen.

Das griechische Wort, das in beiden Versen (und im Neuen Testament auch nur dort) vorkommt und im Deutschen oft mit „Gastfreundschaft“ übersetzt wird, lautet philoxenia. Es setzt sich zusammen aus „philos“, was im Deutschen „lieben“ bedeutet (die freundschaftliche Liebe), und „xenos“, im Deutschen „fremd, Fremde*r“. Es ist geradezu ein Gegenbegriff zu „Xenophobie“, also die in Ablehnung begründete Angst vor Fremden.

Römer 12,13-14

„Helft Gläubigen, die sich in einer Notlage befinden. Lasst sie mit ihrer Not nicht allein. Macht es euch zur Aufgabe, Fremde zu lieben. Segnet die, die es sich zur Aufgabe machen, euch zu verfolgen, segnet sie, verflucht sie nicht!“

Ab Vers 8 geht es im zwölften Kapitel des Römerbriefes um das Leben in der Gemeinde und um das das Verhalten gegenüber Nichtchrist*innen. Vers 13a gehört zweifelsfrei zum Leben in der Gemeinde, Vers 14 zu Verhalten gegenüber Nichtchrist*innen. Vers 12 ermahnt uns, Gläubigen in einer Notlage zu helfen und sie in ihrer Not nicht allein zu lassen. Vers 14 ruft uns auf, die zu segnen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, zu segnen und nicht zu verfluchen.

Wohin gehört nun unser Vers 13b „macht es euch zur Aufgabe, Fremde zu lieben“? Zum Leben in der Gemeinde oder um das Verhalten gegenüber Nichtchrist*innen?

Interessant ist, dass in Vers 13b und Vers 14 dasselbe Wort vorkommt, das griechische dioko, zu Deutsch „verfolgen, vertreiben, nachstreben, nachjagen“.

In Vers 13b habe ich es in Anlehnung an die Neue Genfer Übersetzung (NGÜ) mit „macht es euch zur Aufgabe“ übersetzt. Andere übersetzen beispielsweise mit „übt“ oder „trachtet“.

In Vers 14 übersetzen die meisten Bibeln dieses Wort mit „verfolgen“. Um zu verdeutlichen, dass das griechische Wort aus 13b auch in Vers 14 steht, habe ich hier „die es sich zur Aufgabe machen“ ergänzt, wörtlich steht dort, „die euch verfolgen“.

Dass Paulus dasselbe Wort in Vers 13b und 14 verwendet, deutet darauf hin, dass er hier verdeutlichen will, dass die Liebe zu Fremden (philoxenia) auch bedeutet, diejenigen von ihnen, die uns verfolgen, zu segnen und nicht zu verfluchen.

Ich habe also den Eindruck, dass „macht es euch zur Aufgabe, Fremde zu lieben“ zu beiden Abschnitten gehört, zum Leben in der Gemeinde und zum Verhalten gegenüber Nichtchrist*innen.

Dann ist Xenophobie, also Fremdenfeindlichkeit, mit dem christlichen Glauben unvereinbar. Uns ist Philoxenia, die Liebe zu Fremden, geboten, nicht Xenophobie, ablehnende Angst vor Fremden, also Rassismus.

Hebräer 13,2

„Vergesst nicht, Fremde zu lieben. Durch ihre Liebe zu Fremden haben einige, ohne es zu wissen, Engel bei sich aufgenommen“.

Die meisten Bibelübersetzungen schreiben „Gastfreundschaft“, wo ich „Liebe zu Fremden“ übersetzt habe, da im Griechischen philoxenia steht.

Ich glaube, dass Gastfreundschaft unter Christ*innen, wie viele Ausleger*innen annehmen, zu kurz greift. Ich denke, der Verfasser des Hebräerbriefes will wie Paulus betonen, wie wichtig es ist, dass sich die Bereitschaft, Menschen willkommen zu heißen und aufzunehmen, auch auf Fremde bezieht. Da denke ich auch an Jesu Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner, der sich eines Fremden angenommen hat.

 
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from Michaela Molthagen

Es gibt einen großen theologischen Unterschied zwischen der evangelikalen Bewegung und der neo-charismatischen New Apostolic Reformation (NAR). Dieser Unterschied betrifft die Frage, ob Jesus während seiner Zeit auf Erden wahrer Gott und wahrer Mensch war oder nur Mensch. Die NAR lehrt, dass Jesus während seiner Zeit auf der Erde Mensch war und seine Gottheit abgelegt hatte. Seine Wunder und Zeichen tat er als Mensch ohne eigene göttliche Kräfte, weil er vom Heiligen Geist gesalbt war.

Im Gegensatz dazu lehren die meisten Evangelikalen (einschließlich der Pfingstbewegung), dass Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich war.

Er hörte nicht auf, Gott zu sein, als er als Mensch gezeugt und geboren wurde. Doch er verzichtete auf seine göttlichen Vorrechte und damit auf bestimmte göttliche Eigenschaften. Er verzichtete auf die mit seiner Gottheit verbundenen Privilegien – aber er hörte nicht auf, Gott zu sein. Indem Jesus auf seine Privilegien verzichtete, lehrte er uns, wie wir unser Leben in Demut führen können.

Die NAR lehrt, dass alle vom Heiligen Geist gesalbten Christen durch den Glauben dieselben Zeichen und Wunder tun können wie Jesus. Wem das nicht möglich ist, dem mangele es an Glauben.

Dem gegenüber lehren die meisten Evangelikalen und die Pfingstbewegung (sowie die klassische charismatische Bewegung), dass „Zeichen und Wunder“ Gaben Gottes sind, die nicht alle Christ*innen verliehen bekommen haben.


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from Frei. Trans. Baptistin.

Nun steht er also, der Koalitionsvertrag der Koalition des Grauens von Union und SPD. Vieles ist zu diesem Machwerk der Niedertracht zu schreiben, aber ich beabsichtige, mich auf das zu beschränken, was aus Trans*-Sicht anzumerken ist. Immerhin sind die von vielen erwarteten großen Hammerschläge gegen trans*, inter*, nichtbinäre und agender Personen vorerst ausgeblieben: Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetzes, Einschränkung der unterstützenden Gesundheitsversorgung usw.

Verbesserungen gibt es keine, nur eine Reihe kleinerer Verschlechterungen. Allerdings bleiben der Union Schlupflöcher, um spätestens im nächsten Wahlkampf mit Transfeindlichkeit Stimmen gewinnen zu wollen.

Selbstbestimmungsgesetz

Zum Selbstbestimmungsgesetz heißt es:

Wir werden das Gesetz über die Selbstbestimmung im Bezug auf den Geschlechtseintrag bis spätestens 31. Juli 2026 evaluieren. Wir wahren die Rechte von trans- und intersexuellen Personen. Bei der Evaluation legen wir einen besonderen Fokus auf die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, die Fristsetzungen zum Wechsel des Geschlechtseintrags sowie den wirksamen Schutz von Frauen. Im Rahmen der Namensrechtsreform nehmen wir die bessere Nachverfolgbarkeit aller Personen bei berechtigtem öffentlichem Interesse bei Namensänderungen in den Blick.

Es werden trans*– und inter*-geschlechtliche Personen genannt (immer noch mit der stigmatisierenden und pathologisierenden Bezeichnung „-sexuell“), nicht aber nichtbinäre und agender Personen.

Welche Rechte gewahrt werden sollen, bleibt offen. Recht auf Schutz vor Diskriminierung? Recht auf Schutz vor verbaler und tätlicher Gewalt aufgrund der geschlechtlichen Identität? Der Koalitionsvertrag verspricht nichts davon, und so bleibt wohl nur – Beginn Sarkasmus – das uns vertraute Recht, diskriminiert zu werden, das Blackrot verspricht zu wahren. Aus konservativer Sicht gehört zum Trans*sein das Leiden dazu, um tatsächlich als trans* gelten zu dürfen – das wollen sie uns sicherlich nicht nehmen.

Evaluation

Eine Evaluation nach einem gewissen Zeitraum ist bei neuen und geänderten Gesetzen üblich und war für das Selbstbestimmungsgesetz auch von der Ampel vorgesehen – mit einer Frist von fünf Jahren, also bis 2029. Diese Frist wird nun von Ende Oktober 2029 auf Ende Juli 2026 ungewohnt drastisch verkürzt.

Über die Gründe für diese Verkürzung kann ich nur mutmaßen. Meine Vermutung ist, dass die Union darauf gedrängt hat, um die Evaluation durchzuführen, ehe die Menschen im Land merken, dass vom Selbstbestimmungsgesetz keine negativen Folgen zu erwarten sind (außer für trans*, inter*, nichtbinäre und agender Personen aufgrund der im Gesetz zementierten Vorurteile gegen insbesondere trans* Personen). Je länger es das Gesetz gibt und trans*, inter*, nichtbinäre und agender Personen es nutzen, desto deutlicher zeigt sich, dass die ganze Panikmache von Konservativen, Rechten und TERFs eben nur Panikmache war, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Darum, so nehme ich an, möchte die Union die Evaluierung um mehr als drei Jahre verkürzen.

Es steht zu befürchten, dass die Evaluation von Personen durchgeführt wird, die dem Selbstbestimmungsgesetz ablehnend gegenüberstehen, ich denke da an Personen wie Alexander Korte oder Till Amelung und diverse Politiker*innen der Unionsparteien, die sich regelmäßig mit Transfeindlichkeit hervortun.

Kinder und Jugendliche

Dabei wird es vor allem um Kinder und Jugendliche gehen – von denen die Union überzeugt ist, dass sie nicht von Geburt an trans* sind (weil Geschlecht nun einmal divers ist und nicht so schön cis und binär, wie manche sich das wünschen), sondern „trans gemacht werden“, etwa durch Eltern oder eine angebliche „Trans-Lobby“. Dass bereits bei den psychiatrischen Gutachten, die das Transsexuellengesetz (dem die Union immer noch hinterher weint) vorgesehen hat, gut 99,9 % der trans* Kinder und Jugendlichen „bestanden“ haben, scheint für die Union keine Rolle zu spielen. Die Union mag sich, anders als die Mehrheit der Expert*innen, nicht auf die Selbstauskunft der Kinder und Jugendlichen verlassen. Dabei ist daran zu erinnern: Es geht hier nur um die Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen, nicht um medizinische Maßnahmen.

Beides steigert verschiedenen Studien zufolge das Wohlbefinden der betreffenden Kinder und Jugendlichen deutlich und mindert das Risiko für Depressionen und erhöhte Suizidalität in hohem Maße. Es gibt keine Studien, die eine Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen mit negativen Folgen verknüpfen. Und Pseudo-Diagnosen wie „ROGD“ (rapid onset gender dysphoria), an denen sich die Union gerne aufhängt, sind nun einmal nur das: Pseudo-Diagnosen. Sie sind nicht wissenschaftlich untermauert.

Würde die Evaluation tatsächlich die vollen fünf Jahre abwarten, so würde sie sehen: kaum ein Kind gibt innerhalb von fünf Jahren nach Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen an, doch cis zu sein und aufgrund dessen die Änderung rückgängig machen zu wollen. Diejenigen, die ihren Eintrag rückgängig machen werden, werden dies aufgrund von Mobbing, Druck aus dem sozialen und familiären Umfeld usw. tun wollen, nicht, weil sie doch nicht trans* sind.

Fristsetzungen

Was mit „Fristsetzungen zum Wechsel des Geschlechtseintrags“ gemeint ist, bleibt unklar. Die Wartefrist von drei Monaten zwischen Anmeldung und Abgabe der Erklärung? Die Wartefrist von einem Jahr vor einer erneuten Änderung? Die Frist im Hinblick auf den Kriegsdienst? Eine zusätzliche Frist vor der Anmeldung, etwa „drei Jahre lang unter dem Zwang stehen, die Kleidung des anderen Geschlechts zu tragen“, wie es die Union wohl formulieren würde?

Wirksamer Schutz

Zum Schluss geht es um „den wirksamen Schutz von Frauen“.

Mit Frauen sind hier nicht Frauen gemeint, sondern cis Frauen.

Hier zeigt sich, die dass Koalition des Grauens trans* Frauen nicht als Frauen betrachtet, sondern eher als „Männer in Frauenkleidung“. Es ist schließlich kaum anzunehmen, dass hier an die angebliche Gefahr für cis und trans* Frauen gedacht wird, die von cis Männern, die das Gesetz missbrauchen und sich lediglich als trans* Frauen aufgeben. So etwas gibt es nämlich de facto nicht.

Wirksamer Schutz von Frauen? War da nicht etwas? O ja: Nahezu jeden Tag bringt ein cis Mann seine (Ex-) Partnerin um, Tendenz stark steigend. Wir nennen das Femizid. Dieses beklemmende Thema der Gewalt gegen Frauen kommt im Koalitionsvertrag nicht vor. Auch nicht, dass vor allem migrierte, behinderte und armutsbetroffene Frauen betroffen sind.

Wirksamer Schutz von Frauen kommt im Koalitionsvertrag nur im Kontext des Selbstbestimmungsgesetzes vor. Dabei erleben zwar viele Frauen Gewalt durch (Ex-) Partner, aber praktisch nie durch Personen, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, sei es durch das Transsexuellengesetz oder das Selbstbestimmungsgesetz (geschweige denn durch trans* Personen, die ihren Geschlechtseintrag gar nicht geändert haben).

Die Koalition des Grauens verbreitet aber auf dem Niveau der „Bild-Zeitung“ den Mythos von Gewalt gegen Frauen durch das Selbstbestimmungsgesetz, sodass die Frauen davor geschützt werden müssten.

Da ein Mann, der Frauen Gewalt antun will, sich deswegen nicht als Frau kleiden und schon gar nicht seinen Geschlechtseintrag ändern muss (und es auch nicht tun wird), ist offensichtlich, dass hier nicht an cis Männer gedacht wird, die das Selbstbestimmungsgesetz missbrauchen, um sich als Frauen auszugeben.

Gedacht ist an trans* Frauen, die von Konservativen, Rechten und TERFs stets als Bedrohung von cis Frauen (nein, sie würden nie „cis“ sagen) gesehen werden. Weil viele Männer ihr mehr oder weniger gut unterdrücktes Gewaltpotenzial auf trans* Frauen übertragen, von denen sie annehmen, dass die das eben nicht unterdrücken. Weil viele Menschen sich nicht vorstellen können, dass ein Mann eine Frau sein möchte (möchten wir nicht sein, wir sind es) und deswegen annehmen, dass sie das aus niederen Beweggründen tun, also um Vorteile zu erlangen (etwa im Sport oder bei Stellenbesetzungen mit Frauenquote) oder Gewalt gegen cis Frauen auszuüben. Für diese Menschen sind trans* Frauen Männer – und handeln angeblich wie Männer. Dass aber gerade trans* Frauen die von ihnen aufgezwungene männliche Sozialisation besonders intensiv hinterfragen und „typisch männliches“ Handeln ablehnen, kommt ihnen gar nicht in den Sinn.

Trans* Frauen unterscheiden sich in ihrer Aggressivität und Gewaltbereitschaft nicht von cis Frauen, wohl aber von cis Männern (und ja, auch cis Frauen können aggressiv und gewalttätig, können Täterinnen sein, das patriarchale Klischee der stets sanften, jederzeit gewaltlosen Frau ist misogyn). Von trans* Frauen geht keine Gefahr für cis Frauen aus.

Gewalt gegen TINA*-Personen

Etwas anderes ist es mit der Gewalt gegen trans* Personen. Trans* Personen erfahren besonders häufig Gewalt, gemessen an ihrem geringen Anteil an der Bevölkerung (ca. 1–2 %) sogar extrem häufig. Gleiches gilt für inter*, nichtbinäre und agender Personen.

Der Schutz von trans*, inter*, nichtbinären und agender Personen spielt aber im Koalitionsvertrag keine Rolle.

Damit kehrt die Koalition des Grauens die Rollen von Opfern und Täter*innen um, diejenigen, die in höherer Gefahr stehen, Opfer von Gewalt zu werden, stehen unter einem Generalverdacht.

Nachverfolgbarkeit

Mit dem Passus „im Rahmen der Namensrechtsreform nehmen wir die bessere Nachverfolgbarkeit aller Personen bei berechtigtem öffentlichem Interesse bei Namensänderungen in den Blick“ möchte Blackrot ein Vorhaben, das auf Betreiben des SPD-geführten Bundesinnenministeriums schon im Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes stand, wieder aufnehmen.

Blackrot behauptet, das Selbstbestimmungsgesetz würde missbraucht werden, damit Personen untertauchen, sich der Strafverfolgung entziehen können. Da es dafür weit einfachere Möglichkeiten gibt, stellt sich allerdings die Frage, ob Blackrot das tatsächlich glaubt oder nicht einfach nur Listen führen möchte, in denen etwa alle trans* Personen verzeichnet sind.

Es ist ja ohnehin nicht so, dass die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens nicht dokumentiert würde. Das Standesamt erfasst diese Änderungen vollständig im Geburtenregister und kann diese Daten anderen Behörden zur Verfügung stellen. Kein Mensch kann mithilfe des Selbstbestimmungsgesetzes untertauchen oder sich der Strafverfolgung entziehen.

Abstammungsrecht

Zum Thema „Elternschaft von trans* Personen“ gibt es keine Verbesserung.

Geschlechtliche Vielfalt

Der Koalitionsvertrag überschreibt zwar einen Abschnitt mit „geschlechtliche Vielfalt“, aber im Text geht es dann nicht um diese, sondern um etwas ganz anderes: um die sexuelle Orientierung. Es fällt mir schwer zu glauben, dass Merz, Söder, Klingbeil und Esken nicht wissen, dass das zwei verschiedene Dinge sind (ihre Referenten wissen das bestimmt).

Das Recht, „gleichberechtigt, diskriminierungs- und gewaltfrei leben zu können“ wird nur unabhängig von der sexuellen Orientierung versprochen, nicht unabhängig von der geschlechtlichen Identität. Trans*, inter*, nichtbinäre und agender Personen bekommen diese Zusicherung nicht, cis, endogeschlechtliche und binäre Menschen bleiben nach dem Willen der Koalition des Grauens privilegiert.

Artikel 3 Grundgesetz

Kein Wort verliert der Koalitionsvertrag über die so wichtige Ergänzung von Artikel 3 um den Diskriminierungsschutz aufgrund der geschlechtlichen Identität und der sexuellen Orientierung.

Geflüchtete

Obwohl trans*, inter*, nichtbinären und agender Personen (wie auch anderen Queers) in vielen Ländern Gefahr droht bis hin zu Inhaftierung, Folter und Ermordung, sieht die Koalition des Grauens für sie keinerlei Schutz vor. Es gibt kein Recht auf Freiheit, Gesundheit und Leben für TINA*-Personen, wenn sie nicht das Glück haben, die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen. Wer das Glück hat, vor ihren*seinen Peinigern zu fliehen, wird spätestens an der deutschen Grenze abgewiesen und gnadenlos (und unchristlich) ihrem*seinem Schicksal überlassen.

Fazit

„Trans* und inter* Menschen interessieren uns nicht und nichtbinäre und agender Menschen noch viel weniger“ – das wird im Koalitionsvertrag mehr als deutlich.

Der Abschnitt zum Selbstbestimmungsgesetz liest sich so, als sei dessen angedrohte Abschaffung nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Nächstes Jahr setzt die Union dann wieder zum Abriss an, um genderdivergente Menschen zu diskriminieren und abzuwerten.

Bis dahin dürfen trans* Personen mit der zweifelhaften Ehre leben, vor allem als Bedrohung für cis Frauen getrachtet zu werden, trans* Frauen mit der belastenden Einsicht, nicht als Frauen gewertet zu werden, nichtbinäre und agender Menschen mit dem Wissen, nicht gesehen zu werden.

Für den Koalitionsvertrag sind TINA*-Personen nicht gleichberechtigt und haben keinen Anspruch darauf, frei von Diskriminierung und Gewalt zu leben. Vor allem gilt dies für geflüchtete TINA*-Personen, und ich gebe zu: Das macht mich besonders wütend. Das sind die am meisten gefährdeten Personen, die zu uns flüchten und für deren Schutz die Regierung sorgen könnte – und sie verweigert jede Hilfe, jeden Schutz.

Dass zwei der drei Koalitionsparteien sich als „christlich“ bezeichnen ist dabei ein Etikettenschwindel der besonders üblen Art. Mit „christlich“ hat all das nichts, aber auch gar nichts zu tun.


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from Frei. Trans. Baptistin.

Die meisten trans* Personen haben mehr oder weniger häufig damit zu kämpfen: Zweifel im Hinblick auf ihr Trans*sein.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Zweifeln: Zweifel daran, tatsächlich trans* zu sein und das Trans*-Impostor-Syndrom.

In den seltensten Fällen sind diese Zweifel berechtigt.

Ausnahmen betreffen häufig Personen, die nicht binär trans*, sondern nichtbinär oder agender sind, ohne sich dessen bewusst zu sein, da sie noch in einem binären Muster von Geschlecht feststecken. Sie sind sich nicht bewusst, dass es auch Menschen zwischen binären Geschlechtern oder gar außerhalb davon gibt.

Zweifel, wirklich trans* zu sein

Trans* Personen wachsen in einer Gesellschaft auf, in der Trans*sein immer noch als Abweichung von der Norm gilt, oft als mentale Störung gesehen wird. Obwohl viele Menschen eine Meinung zu Trans* haben, haben doch nur wenige auch Ahnung von Trans*. Mit dem kleinen Wort Trans* – umgangssprachlich oft „transsexuell“ – verbinden wir eine Vielzahl an Vorurteilen.

Die allermeisten von uns, auch trans* Personen, haben das verinnerlicht, internalisiert. Wir glauben, ob wir es zugeben oder nicht, dass mit trans* Personen etwas nicht stimmt. Wir vermuten eine mentale Störung als Ursache oder dass in der Kindheit etwas schiefgelaufen sei. Die Tatsache, dass Trans* seine natürliche Variante der geschlechtlichen Entwicklung ist, kollidiert mit der uns von Kindheit an beigebrachten falschen Überzeugung, dass mit trans* Personen etwas nicht stimme, dass sie „gestört“ seien oder etwas im Schilde führten.

Es ist schwer, diese verinnerlichten Überzeugungen abzulegen. Auch und gerade für trans* Personen gilt das. Sind wir wirklich trans*? Oder stimmt mit uns etwas nicht? Sollten wir nicht herausfinden, was mit uns nicht stimmt – statt einfach trans* zu sein?

Die meisten trans* Personen kennen und haben diese Zweifel, manche weniger oft, manche häufiger, einige nur schwach ausgeprägt, andere stark ausgeprägt.

Es gibt eine Faustregel: Trans* Personen mit diesen Zweifeln sind trans*. Diese Zweifel gehören aufgrund unserer Sozialisation, unserer verinnerlichten Zweifel, ob es Trans* wirklich gibt, zum Trans*sein dazu. Sie sind für trans* Personen normal. Wir leben in einer cis-dominierten Gesellschaft, in der Trans*sein immer noch stigmatisiert und pathologisiert wird, als Abweichung von einer vermeintlichen Norm betrachtet wird, oft sogar dämonisiert wird. Daraus erwachsen unsere Zweifel, ob wir denn tatsächlich trans* sind. Gerade wenn wir die Vorurteile glauben, ist der Wunsch stark, nicht trans* zu sein.

In einer Welt, in der Trans*sein als völlig normale Variante der Geschlechtsentwicklung betrachtet würde, ohne jede Stigmatisierung, Pathologisierung und ohne Dämonisierung von trans* Personen, würde es diese Zweifel wohl nicht geben. Aber soweit sind wir in unserer Gesellschaft noch lange nicht. Und solange tragen auch trans* Personen diese Zweifel oft in sich.

Leider gibt es manchmal trans*-kritische Therapeuten, die unsere Zweifel benutzen, um uns einzureden, wir seien tatsächlich gar nicht trans*. Womöglich seien wir homosexuell, würden uns aber nicht trauen, uns zu outen – und gäben darum vor, „transsexuell“ zu sein, was angeblich leichter sei. Oder wir lehnten zwar die Geschlechterrolle ab, die mit dem uns bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht verbunden sei, seien aber nicht wirklich trans* und müssten lernen, uns mit unserem Geschlecht zu versöhnen.

Natürlich gibt es tatsächlich Personen, die denken, sie seien trans*, ohne es wirklich zu sein. Aber gerade von diesen Personen zweifeln viele oft nicht daran, trans* zu sein. Die Zweifel sind in der Regel (die freilich von Ausnahmen bestätigt wird) ein wichtiges Indiz dafür, trans* zu sein.

Grundsätzlich gilt also: Dass viele trans* Personen mehr oder weniger häufig daran zweifeln, trans* zu sein, ist absolut kein Beweis dafür, dass sie nicht trans* sind. Zweifel gehören oft zum Trans*sein dazu, was einfach an unserer Sozialisation liegt. Wer in eine Gesellschaft hineingeboren wird, in der Trans*sein stigmatisiert und pathologisiert wird, wird nahezu immer daran zweifeln, wirklich trans* zu sein.

Sich von diesen Zweifeln zu befreien, ist schwer. Sie sind durch unsere Sozialisation tief in uns verwurzelt. Und Transfeindlichkeit, Misgendering und Deadnaming nähren die Zweifel in uns. Umgekehrt kann Akzeptanz von außen dabei helfen, diese Zweifel kleinzuhalten. Die richtige Verwendung von Pronomen und Vornamen etwa.

Das Trans-Impostor-Syndrom

Als „Impostor-Syndrom“ wird die Neigung bezeichnet, sich aufgrund unrealistischer Erwartungen an unsere Fähigkeiten fälschlich als Hochstapler*in (engl. Impostor) zu betrachten.

Das Impostor-Syndrom kommt in verschiedenen Lebensbereichen vor, etwa im Job. Es sind Selbstzweifel, die insbesondere die eigenen Fähigkeiten im Beruf betreffen. „Bin ich überhaupt gut genug für diesen Beruf, für diese Stellung? Habe ich mir etwas angeeignet, das mir gar nicht zusteht?“ Solche Menschen haben unrealistische Erwartungen an ihre Fähigkeiten. Und sie glauben, dass sie die Anerkennung, die sie bekommen, gar nicht verdient haben.

Menschen mit dem Impostor-Syndrom sind in ihrem Job oder in ihrer Stellung meist gut. Sie erfüllen überwiegend alle Anforderungen zur Zufriedenheit aller. Außer zu ihrer eigenen Zufriedenheit. Ihre Selbstzweifel lassen sie annehmen, dass sie ihren Beruf, ihre Stellung nur durch Hochstapelei bekommen und behalten haben.

Das Impostor-Syndrom kommt vorwiegend bei marginalisierten Menschen vor, denen von Anfang an vermittelt wurde, dass sie weniger wert, weniger kompetent, weniger fähig, weniger wertvoll seien: bei People of Color, bei Schwarzen, bei Frauen, bei Behinderten, bei Menschen aus armutsbetroffenen Familien usw.

Und es kommt auch bei queeren Menschen häufig vor.

„Bin ich queer genug oder eigne ich mir Queerness oder bestimmte Label wie queer, lesbisch, schwul, bi, asexuell, inter*, trans*, nichtbinär, agender usw. zu Unrecht an?“

Es können also auch trans* Personen betroffen sein. „Bin ich trans* genug oder eigne ich mir dieses Label zu Unrecht an?“

  • „Bilde ich mir nur ein, trans* zu sein? Ist es nur eine Phase? Vielleicht bin ich ja eigentlich homosexuell? Bin ich wirklich trans*?“
  • „Meine Geschlechtdysphorie ist nicht so schlimm, bin ich wirklich trans*?“
  • „Ich habe gar nicht immer das Bedürfnis, so maskulin/feminin wie möglich zu sein, bin ich wirklich trans*?“
  • „Manchmal fühle ich mich nicht, wie ein Mann/eine Frau sich fühlen sollte, bin ich wirklich trans*?“
  • „Ich habe nicht das Verlangen nach einer genitalangleichenden Operation, bin ich wirklich trans*?“
  • „Ich leide gar nicht darunter, trans* zu sein, bin ich wirklich trans*?“
  • „Bin ich wirklich trans* genug? Ich glaube nicht, dass ich den Erwartungen entspreche.“
  • „Verhalte/kleide ich mich richtig, rede ich richtig, um als trans* Person akzeptiert zu werden?“
  • „Bin ich trans* genug, um Mitglied der queeren/trans* Community zu sein?“
  • „Bin ich trans* genug, sodass andere mein Trans*sein, mein Coming-out akzeptieren – oder werden sie mich nicht eher verspotten?“
  • „Durchschaut nicht jede*r, dass ich gar nicht trans* (genug) bin?“

Das sind nur einige Beispiele. Wir haben gewisse Erwartungen verinnerlicht, wie trans* Personen sein müssen – und wenn wir diese Erwartungen nicht erfüllen, sind wir dann wirklich trans*? Oder eignen wir uns dieses Label zu Unrecht an?

Diese Erwartungen basieren auf cis- und binär-normativen Vorstellungen. Sie sind tief in der Gesellschaft verwurzelt – und wir sind nicht frei davon.

Wenn die Zweifel am binären Trans*sein zutreffen: Nichtbinäre Personen

Manchmal treffen die Zweifel am Trans*sein tatsächlich zu, nämlich bei manchen nichtbinären Personen, die bisher davon ausgehen, binär trans* zu sein. „Bin ich wirklich ein trans* Mann? Bin ich wirklich eine trans* Frau?“

Die Betonung liegt dann weniger auf „trans*“, sondern auf „Frau“ bzw. „Mann“. Sie ziehen es eher nicht in Betracht, womöglich doch cis zu sein. Aber sie zweifeln daran, dass die Annahme, ein trans* Mann oder eine trans* Frau zu sein, korrekt ist.

Aber was sollen sie denn sonst sein?

Viele nichtbinäre und agender Personen glauben zuerst, sie seien trans* Männer bzw. trans* Frauen. Sie wissen eben, dass das ihnen bei der Geburt zugewiesene Geschlecht nicht zu ihnen passt, also müssen sie doch trans* sein, nicht wahr?

Da unsere Gesellschaft eigentlich nur binäre Geschlechtsstrukturen kennt, Männer und Frauen, dauert es manchmal eine Weile, bis nichtbinäre Personen erkennen können, dass sie nichtbinär bzw. agender sind. Bevor wir das erkennen, müssen wir ja erst einmal verstehen, dass es nichtbinäre und agender Menschen gibt, wenn wir bisher nur die Parameter für Frauen und Männer parat haben.

Impostor-Syndrom bei nichtbinären und agender Personen

Auch bei nichtbinären und agender Personen gibt es das vorhin besprochene Impostor-Syndrom, wahrscheinlich sogar noch häufiger und stärker ausgeprägt als bei binären trans* Personen.


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from Frei. Trans. Baptistin.

Entweder Mann oder Frau – für die meisten von uns gibt es nur diese beiden Möglichkeiten, nur diese binäre Aufteilung. Unsere Gesellschaft ist auf binären Strukturen aufgebaut.

Lange Zeit gab es auch nur diese beiden Optionen für den Geschlechtseintrag. Erst seit einigen Jahren gibt es die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag streichen zu lassen oder (eigentlich ungenau bezeichnet) „divers“ zu wählen.

Andere Kulturen als die unsere kennen durchaus mehr als diese beiden Möglichkeiten, aber in unserer Kultur galt und gilt: entweder Mann oder Frau.

Als ausschlaggebend für die Zuordnung gilt im Prinzip, wie die primären Geschlechtsmerkmale beschaffen sind: Penis und Hoden gleich Mann, Vulva gleich Frau. Die Biologie ist über diese stark vereinfachte Zuordnung längst hinweg und weiß, dass Geschlecht sehr viel komplexer ist. Das beginnt bei inter*geschlechtlichen Menschen mit primären Geschlechtsmerkmalen, die nicht eindeutig zugeordnet werden können und geht inzwischen soweit, dass Neurobiolog*innen eher das Gehirn als das entscheidende Geschlechtsmerkmal betrachten.

Wie dem auch sei: die meisten von uns kennen eigentlich nur entweder Mann oder Frau. Das sagt ja scheinbar auch die Bibel aus: „Und Gott schuf den Menschen als Mann und Frau“ (Genesis 1,27). Wobei eine bessere Übersetzung aus dem Grundtext lautet: „Und Gott schuf den Menschen von männlich bis weiblich“.

Nicht cis

Einige Menschen merken, teilweise schon früh in der Kindheit, dass sie sich nicht dem Geschlecht zuordnen, das ihnen bei der Geburt aufgrund ihrer Genitalien zugewiesen wurde. Eine scheinbar weibliche Person sagt „ich bin ein Junge“, eine scheinbar männliche Person „ich bin ein Mädchen“.

Psycholog*innen diagnostizieren dann bei ihnen eine Geschlechtsdysphorie oder Geschlechtsinkongruenz und vermuten, dass sie transgeschlechtlich sind. Sie bekommen die (inzwischen veraltete) Diagnose F64.0, und nach einer Weile, wenn sich die Vermutung aus psychologischer und ärztlicher Sicht bestätigt, die Diagnose F64.0G, wobei das „G“ für gesichert steht.

Aber einige dieser Personen stellen nach einer Weile fest, sie sind doch …

Nicht trans

Ganz selten (wir reden hier von weniger als 1 %) sind die Personen tatsächlich cis, und die Diagnose war vollkommen verkehrt. In diesen Fällen ist eine Detransition erforderlich.

Aber viel häufiger kommt es vor, dass diese Personen etwas anderes sind, nicht cis, auch nicht trans, sondern:

Nicht binär

Ich gehe davon aus, dass eigentlich jeder Mensch nicht binär ist und dass sich die meisten trotzdem einem der beiden binären Geschlechtermodelle, Mann oder Frau, zuordnen.

Viele sind tatsächlich vor allem männlich oder weiblich und sehen sich dann durch das bei ihnen vorherrschende Geschlecht am besten beschrieben und ordnen sich diesem Geschlecht zu. Manche sagen vielleicht, „ich habe auch Anteile vom anderen Geschlecht“.

Andere glauben halt tatsächlich, dass es eben nur genau zwei Geschlechter gibt und jeder Mensch (mit der seltenen, von ihnen vorwiegend defizitär betrachteten Ausnahme der inter*geschlechtlichen Menschen) entweder Mann oder Frau ist. Sie ignorieren diejenigen ihrer Persönlichkeitsmerkmale, die nicht so recht zu dem passen, als was sie sich sehen wollen. Ich denke, darin sind wir sehr gut: Wir ignorieren, was wir nicht verstehen. Wir verdrängen es.

Aber andere Menschen gehen davon aus, dass Geschlecht nicht binär ist, sondern ein bimodales Spektrum, bei dem die Geschlechter annähernd wie in der folgenden Grafik verteilt sind:

Diagramm

Das heißt, viele Menschen sind tatsächlich vor allem männlich oder weiblich, also nahe der beiden Pole. Aber manche Menschen stehen zwischen den beiden Polen (nichtbinär) oder sogar außerhalb (agender).

Viele Menschen, die nicht binär sind, wissen zwar, dass sie anders sind. Vielleicht denken sie, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Aber damit ein Mensch erkennt, dass dey (ein Pronomen für nichtbinäre Personen) nicht binär ist, muss dey wissen, dass es das überhaupt gibt.

Ohne das Wissen um nichtbinäre Geschlechtsidentitäten kann niemand erkennen, tatsächlich nichtbinär zu sein.

Manche nichtbinäre Menschen denken zuerst, sie seien binär trans – etwas anderes als binäre Geschlechter kennen dey ja nicht. Woher denn auch? Also sehen dey sich als trans Frau oder als trans Mann. Sie transitionieren und versuchen in deys vermeintlich echtem Geschlecht zurechtzukommen.

Und meistens funktioniert das nicht, jedenfalls nicht auf Dauer. Dann kommen Zweifel auf, ob die betreffende Person wirklich trans ist oder womöglich doch cis. Ob die Transition wirklich der richtige Weg war.

Wenn diese Menschen nichtbinäre Personen kennenlernen, merken dey vielleicht, dass diese nichtbinären Personen so sind wie dey selbst. Weder Frau noch Mann. Mit den richtigen Informationen können dey erkennen, dass dey eben nichtbinär sind, dass dey entweder zwischen den Polen stehen oder außerhalb.

Mir ist an dieser Stelle wichtig: Wenn eine Person, die vermeintlich binär trans* ist, mit ihrer binären trans*geschlechtlichen Identität und ihrer Transition im binären Geschlechtermodell nicht so zufrieden ist wie erhofft, kann es gut sein, dass diese Person nichtbinär ist.

In diesem Fall ist es meist sinnvoll, wenn diese Person ihre nichtbinäre Geschlechtsidentität erforscht. Es ist kein Scheitern, wenn die binäre Transition nicht funktioniert hat. Eine nichtbinäre Transition ist in diesen Fällen die richtige Entscheidung.

Wie sind nichtbinäre Geschlechtsidentitäten beschaffen?

Aus der Grafik weiter oben wissen wir, dass manche nichtbinäre Menschen zwischen den beiden Polen stehen, andere aber außerhalb. Nichtbinäre Menschen können also durchaus gar kein Geschlecht haben (agender).

Andere stehen auf dem Spektrum entweder relativ statisch zwischen den beiden Polen (manche näher beim weiblichen Pol, andere näher beim männlichen Pol), andere sind da eher fluide und bewegen sich auf dem Spektrum. Ihre Bewegung kann dabei durchaus das gesamte Spektrum umfassen – und manchmal auch außerhalb der Pole liegen, also geschlechtslos sein.

Es gibt nicht den nichtbinären Menschen. Nicht binäre Geschlechtsidentitäten sind vielfältig wie ein bunter Regenbogen.

Nichtbinäre Menschen in unserer Gesellschaft

Nichtbinäre Menschen haben es in unserer Gesellschaft meist schwerer als binäre Personen, selbst als binäre trans* Personen. Immerhin ist es dank des Selbstbestimmungsgesetzes möglich, den Geschlechtseintrag „divers“ zu bekommen (auch wenn z. B. „nichtbinär“ besser wäre als das sachlich falsche „divers“) oder den Eintrag streichen zu lassen.

Doch an vielen Punkten scheitert unsere Gesellschaft an der Akzeptanz und Integration nichtbinärer Menschen – etwa weil viele Räume wie Toiletten, Umkleideräume usw. binär kodiert sind, weil Pronomen und Anreden meist binär gegendert sind.

Auch im religiösen Bereich stoßen nichtbinäre Menschen oft auf Ablehnung und Ausgrenzung.

Pronomen und Anrede

Unsere Gesellschaft kennt fast nur binäre Pronomen und Anreden und ist ziemlich neben der Spur, wenn es um korrekte Pronomen und Anreden für nichtbinäre und agender Personen geht.

Das Wichtigste vorweg: „Divers“ ist ein amtlicher Geschlechtseintrag, keine Anrede. Es gibt kein Geschlecht, das „divers“ genannt wird oder deren Angehörige so angesprochen werden können.

Die beste Anrede ist etwa „Hallo Vorname“ oder „Guten Tag Vorname Nachname“.

Beim Pronomen gilt: mit dem eigenen Pronomen vorstellen. Dann weiß die andere Person, falls dey nichtbinär oder agender ist, dass ein Bewusstsein für das Thema besteht und kann mit dem gewünschten Pronomen reagieren.

Auch aus diesem Grund verwende ich meine Pronomen (sie/ihr) in meinen Mail-Signaturen und auf meinem Namensschild.

Nichtbinär und geschlechtsbestätigende Medizin

Sowohl das Gesundheitssystem als auch die Krankenversicherungen kennen grundsätzlich nur binäre trans* Personen und darum nur solche Maßnahmen, die einer sog. gegengeschlechtliche Transition dienen, um das männliche oder das weibliche Geschlecht zu bestätigen. Nichtbinäre Menschen sind in diesem System schlicht nicht vorgesehen und werden darum oft an geschlechtsbestätigenden medizinischen Maßnahmen wie Hormonersatztherapie, genitalangleichende Operation, Mastektomie usw. gehindert.

Angesichts dessen sind nichtbinäre Menschen oftmals gezwungen, ein binäres Geschlecht vorzugeben.

Nichtbinär und Trans*

Ich habe nichtbinäre Menschen in diesem Artikel nicht den trans* Personen zugeordnet, sondern im Prinzip drei Gruppen unterschieden: Cis, trans* und nichtbinär.

Tatsächlich gibt es nichtbinäre Menschen, die sich auch als trans* identifizieren, während andere sich als eigene Gruppe neben cis und trans* Personen sehen.

Auf jeden Fall gibt es sowohl binäre als auch nichtbinäre trans* Personen. Die Annahme, alle trans* Personen seien entweder männlich oder weiblich, ist falsch.

Nichtbinär als gender-queere Geschlechtsidentität

Manche cis Menschen lehnen das starre binär-normative Geschlechtersystem und darum auch das ihnen bei der Geburt zugeordnete Geschlecht ab.

Einige von ihnen wählen eine nichtbinäre oder androgyne gender-queere Geschlechtsidentität, um ihre Ablehnung auszudrücken.

Gender-nonconforming

Andere cis Menschen können in den gesellschaftlich erwarteten Verhaltensweisen, die mit dem binären Geschlechtersystem verbunden sind, einfach keinen Sinn erkennen und verhalten sich darum gender-nonconforming, halten sich also nicht an die mit ihrem Geschlecht verbundenen Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft.


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from Michaela Molthagen

In den Medien las ich jetzt häufiger, das Selbstbestimmungsgesetz würde die Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen erleichtern, und das sei ein großer Vorteil dieses Gesetzes.

Wir begrüßen das durchaus, aber etwas anderes begrüßen die meisten von uns weitaus mehr:

Nämlich dass das Selbstbestimmungsgesetz es uns ermöglicht, Geschlechtseintrag und Vornamen zu ändern, ohne dass wir uns dabei stigmatisieren und pathologisieren lassen müssen. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz fällt bei trans* und nichtbinären Personen das Stigma „mental gestört“ und bei inter*geschlechtlichen Personen das Stigma „körperlich falsch“ weg.

Es steht nicht mehr eine vermeintliche mentale Störung im Mittelpunkt oder dass inter*geschlechtliche Personen eine Variante der körperlichen Geschlechtsentwicklung aufweisen.

Es sind keine psychiatrischen oder medizinischen Untersuchungen mehr erforderlich, die uns den Stempel „Abweichung!“ und „krank!“ aufdrücken.

Dass gerade bei trans* und nichtbinären Personen das Stigma „mental gestört“ wegfällt, ist nun aber ein Grund, dass Konservative gegen dieses Gesetz Sturm laufen.

Denn dass wir normal sein sollen, das wollen und können viele Konservative nicht akzeptieren. Sie können oft nicht anders, als zu betonen, dass wir andersartig sind, uns von „normalen“ Menschen unterscheiden, dass wir defizitär sind.

Darum wird unsere Existenz oft als „leidend“ beschrieben und die Geschlechtsdysphorie (anstelle der Geschlechtseuphorie, des Trans Joy) regelmäßig in den Mittelpunkt gestellt.

Der Trans Joy, die oft überschäumende trans*geschlechtliche Euphorie, ist ungern gesehen. Freude ist vermeintlich normalen Menschen vorbehalten, für trans* Personen ist Dysphorie vorgesehen.

Darum versucht das Cistem, der cis-dominierte konservative Teil der Politik, auch, die trans*geschlechtliche Euphorie zu verhindern, indem uns der Weg zu uns selbst möglichst erschwert wird: Hürden bei der Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen, Hürden bei der sozialen und vor allem medizinischen Transition, Förderung von Misgendering und Deadnaming.

Trans* und nichtbinäre Personen sollen möglichst daran gehindert werden, ihr Dasein mit Freude und Glück zu genießen. Sie sollen dem Klischee der leidenden trans* Person entsprechen, weil Glück nur den „normalen Menschen“, also den cis Menschen, vorbehalten ist.

 
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from Frei. Trans. Baptistin.

Als trans Frau und Baptistin habe ich die gestrige Bundestagswahl mit großer Sorge verfolgt.

Wie viele Menschen würden transfeindliche Parteien wählen? Wie viele dieser Parteien würden anschließend wie stark im neuen Bundestag vertreten sein?

Das Ergebnis ist nicht so gut wie erhofft, schlimmer als erwartet, aber wenigstens nicht ganz so schlimm wie befürchtet. Die transfeindliche sog. AfD steht bei rund 20 %, die transfeindliche Union bei rund 30 %. Wenigstens ist das BSW, eine weitere transfeindliche Partei, knapp an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Dafür ist die FDP, die Transrechte im Allgemeinen unterstützt, ebenfalls daran gescheitert.

Für mich als trans Frau heißt das:

Im neuen Bundestag sitzen Abgeordnete, von denen jeder zweite trans* Personen in ihrer Freiheit, in ihren Rechten beschneiden will.

Die Abgeordneten der AfD etwas mehr, die der Union etwas weniger.

  • Aber sie alle sind gegen das Selbstbestimmungsgesetz, gegen geschlechtliche Selbstbestimmung
  • Sie wollen die notwendige medizinische Versorgung von trans* Personen einschränken oder sogar abschaffen, zuerst bei Minderjährigen (und wie die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, folgt sehr bald darauf die Einschränkung auch bei Erwachsenen)
  • Sie wollen trans* Frauen aus bestimmten Räumen heraushalten
  • Sie wollen trans* Frauen aus dem Frauensport verbannen
  • Sie wollen nicht, dass uns in Fällen häuslicher oder sexualisierter Gewalt geholfen wird
  • Sie würden es begrüßen, wenn wir gar nicht existieren würden
  • Sie fordern Maßnahmen, die uns stigmatisieren und pathologisieren
  • Sie glauben entgegen biologischer Fakten, dass es eigentlich nur cis Frauen und cis Männer gibt, außerdem einige Menschen mit einer „Variante der Geschlechtsentwicklung“ (inter*geschlechtliche Menschen) und einige wenige Menschen, die aufgrund einer mentalen Störung namens „Transsexualismus“ fälschlich glauben, dem anderen als dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht anzugehören
  • Sie verbreiten regelmäßig Vorurteile und Verschwörungsmythen, wenn sie über trans* Personen sprechen
  • Sie laden bevorzugt transfeindlich gesinnte Menschen ein, wenn etwa in Ausschüssen über Fragen gesprochen wird, die trans* Personen betreffen
  • Sie wollen bestimmen, wer tatsächlich trans* (und dementsprechend krank) ist – und wer nicht
  • Sie zementieren eine cis-dominierte und strukturell transfeindliche Politik, die geschlechtliche Vielfalt unsichtbar macht und trans* Personen stigmatisiert
  • Sie glauben an eine angeblich übermächtige „Trans-Lobby“, die bekämpft werden müsse

Als trans* Frau und Baptistin wünsche ich mir von meiner eigenen Kirche, dem Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (BEFG), und von den anderen christlichen Kirchen im Land, dass transfeindlichen Äußerungen und Forderungen im Bundestag entschieden widersprochen wird.

Und das ist seit gestern noch wichtiger als je zuvor, weil der neue Bundestag deutlich transfeindlicher ist als der vorherige.

Das zeigt sich bereits beim Kanzlerkandidaten der Union, der bereits angekündigt hat, das erst im November 2024 in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen zu wollen. Ohne Belege und entgegen aller Tatsachen behauptet er schon jetzt, es habe sich angeblich erwiesen, dass das Selbstbestimmungsgesetz „falsch“ sei.

Gegen diese Transfeindlichkeit im Bundestag benötigen wir den Beistand der christlichen Kirchen.

Das beginnt damit, dass die Kirchen uns trans* Personen aufmerksam zuhören. Es ist wichtig, dass sie mit uns sprechen und nicht über uns oder über unsere Köpfe hinweg. Wir wollen ernst genommen, als mündige Gesprächspartner akzeptiert werden.

Wir trans* Menschen – die wir übrigens alle einmal trans* Kinder waren, da Trans*sein angeboren ist – wissen am besten, was für uns gut ist.

Wir sind Expert*innen, wenn es um Trans*sein geht. Auch um das Trans*sein bei Kindern; denn wie ich schon schrieb: Wir alle waren selbst einmal trans* Kinder. Wir haben alle Erfahrung damit, was es bedeutet, eine Kindheit, eine Pubertät, eine Jugend als Trans* zu haben.

Übrigens: 95–98 % der Kinder, die sich als trans* geoutet haben, bleiben ihr Leben lang dabei. Die, die damit aufhören, tun dies fast ausnahmslos aufgrund von Mobbing, Ausgrenzung, Diskriminierung oder infolgedessen, dass ihnen eingeredet wird, dass sie doch nicht trans* seien – und nicht, weil sie tatsächlich nicht trans* sind. Das kommt zwar vor, aber nur sehr selten.

Eine psychotherapeutische Begleitung von trans* Personen muss emphatisch und affirmativ sein. Affirmativ bedeutet, sie muss die Klient*innen darin unterstützen, ihre trans*geschlechtliche Identität zu erforschen, zu bejahen, zu festigen und zu integrieren. Ist eine Person doch nicht trans*geschlechtlich, so wird sich das bei einer solchen Therapie recht schnell zeigen, da die Festigung und Integration dann nicht gelingen werden und die Person dies selbst erkennt.

Eine solche Begleitung darf nicht, weder offen noch getarnt, als Konversionstherapie trans* Personen und besonders trans* Kindern und Jugendlichen irreversible Schäden zufügen. Auch sogenannte hinterfragende Therapien verursachen irreversible Schäden und können zu Depressionen und sogar zu Suizidversuchen führen. Sie sind sehr gefährlich.

Ebenso gefährlich ist es, trans* Kinder zu zwingen, die Pubertät durchzumachen. In keiner Phase ihres Lebens sind trans* Kinder mehr gefährdet als während der Pubertät. In dieser Phase steigt das Risiko, an Depressionen zu erkranken oder einen Suizidversuch zu unternehmen, sehr stark an.

Trans* Personen besitzen einen enormen Erfahrungsschatz zum Thema Trans*sein. Diesen Erfahrungsschatz besitzt sonst niemand. Er kann nicht durch Studium oder therapeutische Erfahrung erlernt werden. Und doch werden wir als Expert*innen in eigener Sache oft ignoriert oder nicht ernst genommen. Wir werden immer wieder entmündigt.

Das ist, als würden Rechtshänder*innen entscheiden, was für Linkshänder*innen am besten ist (und ja, das war bis vor einigen Jahrzehnten noch üblich).

Wir wollen gehört und ernst genommen werden – und wir wollen, dass sich die christlichen Kirchen für uns einsetzen und fordern, dass Transrechte als Menschenrechte anerkannt und geschützt werden. Wir wollen, dass Selbstbestimmung für trans* Personen geschützt wird. Wir wollen nicht stigmatisiert und pathologisiert werden. Wir wollen nicht entmündigt werden.

Transrechte sind Menschenrechte. Sie sind keine Sonderrechte, sondern bedeuten, dass wir die gleichen Rechte genießen können wie cis Personen.

 
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from Michaela Molthagen

… macht sich Ernüchterung bei mir breit. Das Ergebnis ist nicht so gut wie erhofft, schlimmer als erwartet, aber wenigstens nicht so schlimm wie befürchtet. Mehr als jeder zweite Wählende hat sich für die Union, die sog. AfD oder das BSW entschieden und damit für rechtsextreme Parteien oder deren rechte Steigbügelhalter. Die Grünen, SPD und Die Linke kommen zusammen auf nicht einmal die Hälfte der Stimmen.

Oder wie ich als trans Frau nun erkenne: Mehr als die Hälfte der Menschen in diesem Land hat offensichtlich kein Problem damit, wenn meine Rechte beschnitten werden. Immerhin muss ich keine Deportation fürchten wie viele andere Menschen in diesem Land, nur Verweigerung meiner Rechte – und Transrechte sind Menschenrechte – und einer erforderlichen medizinischen Versorgung.

Erschreckend ist für mich das Ergebnis von Bündnis 90/Die Grünen, also meiner eigenen Partei, der ich kurz vor der Wahl noch beigetreten bin. Zwar ist unser Absturz nicht so dramatisch wie bei der FDP und der SPD, aber dennoch:

Laut „taz“ konnten wir nur 350.000 neue Wähler*innen gewinnen, 140.000 von der FDP, 100.000 von der SPD und 110.000 Nichtwähler*innen von 2021. Das ist wirklich sehr wenig.

Dafür haben wir 1,72 Millionen Wählende an andere Parteien verloren: erschreckende 1.020.000 an rechte Parteien (jeweils 460.000 an die Union und an das BSW sowie 100.000 an die sog. AfD) und 700.000 an Die Linke. Wir haben also mehr Wähler*innen nach rechts als nach links verloren.

Positiv ist, dass SPD, Die Grünen und Die Linke im neuen Bundestag eine Sperrminorität haben. Für die rechten und rechtsextremen Parteien gibt es keine Zweidrittelmehrheit, wenn wir zusammenhalten.

Positiv ist auch: Das rechts-christliche „Bündnis C“ und die sog. Werteunion liegen bei gerundet 0,0 % und noch positiver ist: Die FDP und das BSW werden im neuen Bundestag nicht mehr vertreten sein.

Negativ ist: Der neue Kanzler kommt von der Union und wird Friedrich Merz sein, ein Trump aus dem Discounter. Das bedeutet für Deutschland in bestimmten Bereichen Stillstand, in anderen Rückwärtsgang, in keinem Bereich Fortschritt. Menschenrechtlich, finanziell, vom Klimaschutz her und wirtschaftlich wird es katastrophal werden. Die Inflation wird drastisch steigen, die Schere zwischen Arm und Reich wird größer werden, die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer, immer mehr Ärmere. Mieten werden explodieren, Kinder werden verarmen. Es wird mehr Insolvenzen geben, mehr Arbeitslose und natürlich mehr Klimakatastrophen. In einer schwierigen Zeit hat sich Deutschland entschieden, mit Vollgas auf den Abgrund zuzurasen. In ein paar Jahren werden wir den gestrigen Tag aus dem Kalender streichen wollen.

Als trans Frau gehöre ich zu jenen Bevölkerungsminderheiten, die von der neuen Regierung unter Merz (und der sog. AfD) besonders unter Beschuss genommen werden. Eine von vielen Minderheiten, deren Rechte auf der Kippe stehen (und dabei eine oft übersehene Minderheit). Eine mögliche schwarz-rote Koalition wird wahrscheinlich das Selbstbestimmungsgesetz stark einschränken oder abschaffen, was besonders nichtbinäre und agender Menschen treffen wird. Und auch die medizinische Transition wird politisch unter Beschuss geraten, zuerst für Minderjährige, dann aber auch – Erfahrungen aus anderen Ländern beweisen das – für Erwachsene. Tatsächlich rechne ich damit, dass die 2019 erfolgte Änderung meines Geschlechtseintrags und meiner Vornamen noch in diesem Jahr durch eine CDU-geführte Bundesregierung rückgängig gemacht werden könnte. Eine Mehrheit im Bundestag ist Merz dafür sicher.

Ich bin geknickt, aber nicht gebrochen – und ich werde jetzt durchatmen, meine Krone richten, das aufgeschlagene Knie verpflastern und dann für unsere Rechte demonstrieren.

Nicht nur für meine Rechte, denn unser Kampf für Demokratie, Freiheit, Vielfalt und Selbstbestimmung muss intersektional sein. Für Menschen mit Migrationsbiografie, für Geflüchtete, für Frauen und FLINTA+, für Armutsbetroffene, für Behinderte und Be_Hinderte, für Autist*innen und Menschen mit ADHS/AuDHS, für LGBTIQA+, für Depressive, für Jüdinnen*Juden. Die verschiedenen Diskriminierungsformen sind miteinander verwoben, die meisten Menschen sind mehrfach benachteiligt oder diskriminiert.

Besonders schmerzt es mich als trans* Frau, dass eine größer werdende Gruppe von Menschen aus dem LGB-Spektrum sich von denen aus dem TIQA+-Spektrum lossagt, sich von Queer distanziert. Nicht selten sind diese Menschen allerdings auch rassistisch, ableistisch und saneistisch. Nur weil wir schwul, lesbisch, bi, trans oder nichtbinär sind, sind wir halt nicht auch automatisch gut und „woke“.

Ich hoffe, dass wir Queers nicht vergessen werden, wenn Menschen für Demokratie, Freiheit, Vielfalt und Selbstbestimmung demonstrieren. Aber ich fürchte, dass genau das passieren könnte, dass wir zugunsten anderer Minderheiten ignoriert werden.

Als Christin bete ich um Kraft für die kommenden Jahre. Ich sehe beunruhigt in die Zukunft, aber ich weiß, dass ich nicht tiefer als in Gottes Hand fallen kann.

Was gewiss ist: Unsere Feinde bekommen weder meine Verzweiflung noch meinen Hass. Ich bin, was ich bin – und so werde ich leben und, wenn es denn sein soll, sterben.

Als Christin weiß ich, dass Gott mich als trans Frau geschaffen hat. Und dass er geschlechtliche Vielfalt einschließlich Trans*geschlechtlichkeit liebt. Ich werde niemals aufhören, das zu glauben und zu bekennen, gegen jede Irrlehre, nach der es angeblich „biologisch bewiesen“ sei, dass es „nur Männer und Frauen“ gibt.

Gott wird mir, Gott wird uns die Kraft dafür geben, wenn wir ihn darum bitten und seine Nähe suchen. Wer uns abweist, wenn wir Hilfe in Bedrängnis und Not suchen, der weist Jesus ab – dessen bin ich gewiß.

Jetzt erst recht.

Nachtrag: Ich hoffe, wenn auch wahrscheinlich vergeblich, dass die amtierende Bundesregierung jetzt, wo es nicht mehr als Wahlbeeinflussung gelten kann, beim Bundesverfassungsgericht die Prüfung eines Verbots der sog. AfD beantragt. Das Recht dazu hat sie, aber ob sie auch den Willen dazu hat?

Nachtrag 2: Nach dieser Wahl können die christlichen Kirchen nicht einfach zum Alltag übergehen und sich mit dem Wahlergebnis arrangieren. Dass jeder Fünfte die sog. AfD gewählt hat, muss einen Aufschrei in den Kirchen geben. Dass die Union sich der sog. AfD als Steigbügelhalter angedient hat und weiterhin andient, darf in unseren Kirchen nicht unerwähnt bleiben.


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from Frei. Trans. Baptistin.

Triggerwarnung: Dieser Artikel erwähnt häufig Sexualität, sexuelle Orientierung, Geschlechtsverkehr, Genitalien, Masturbation und Pornografie sowie BDSM. Außerdem enthält der Artikel Hinweise auf internalisierte Transfeindlichkeit.

Ich finde es spannend, wie sich meine Sexualität seit meinem Coming-out als trans Frau verändert hat. Im Folgenden versuche ich es zu beschreiben, vor allem für andere trans* Personen.

Es ist schließlich oft aufschlussreich, die eigene Entwicklung mit der von anderen zu vergleichen. Vielleicht erkennt sich die eine oder andere Person darin wieder.

Vor dem Coming-out

Junge oder Mädchen?

Bei der Geburt wurde ich (entgegen der „Vorhersage“ einer Wahrsagerin, meine Mutter würde ein Mädchen zur Welt bringen) dem männlichen Geschlecht zugewiesen.

Mit etwa vier, fünf Jahren (also lange vor der Pubertät) erkannte ich aber, dass ich kein Junge, sondern ein Mädchen bin.

Ich habe das meiner Mutter erzählt, und sie brachte mich dann zu einer Psychologin, die mich wohl „heilen“ sollte (zumal mein Vater nichts davon wissen durfte). Gelernt habe ich dabei, dass mit mir angeblich etwas nicht stimmt. Dass es falsch ist, wenn ein Kind, dem das männliche Geschlecht zugewiesen worden war, denkt, es sei ein Mädchen. Dass ich das niemandem erzählen darf (hauptsächlich nicht meinem Vater). Ich sollte nie darüber reden.

Ich lernte also, als Junge zu leben, ich lernte vorzugeben, männlich zu sein. Wann immer das vermeintliche Gefühl auftauchte, ich sei ein Mädchen, habe ich mich falsch gefühlt. Mit mir stimmt etwas nicht – anders konnte ich mir das nicht erklären. Und ich konnte mit niemandem darüber reden.

Natürlich gab es auch niemanden, die oder der mir gezeigt hätte, dass es auch andere Menschen wie mich gibt. Dass ich nicht allein bin.

So begann die lange Phase, in der ich vorgab, ein Junge, ein Mann zu sein. Fünfundvierzig Jahre lang.

Die Pubertät: das Erwachen der Sexualität

Mit der Pubertät erwachte nicht mein Interesse an Sex, sondern an BDSM. Gefesselte Frauen, Frauen, die als Sklavinnen leben müssen – das beflügelte die Fantasie, als meine Sexualität zu erwachen begann.

Meine ersten Fantasien kamen aus eigentlich harmlosen Fernsehfilmen, in denen Frauen etwa in einem Harem gefangen gehalten wurden. Ich wünschte mich selbst an die Stelle dieser Frauen – und konnte nicht verstehen, warum ich mehr davon fantasierte, eine der gefangenen Frauen zu sein und nicht einer der Männer, der sie entweder gefangen hält oder heldenhaft befreit. Nein, die Männer waren für mich uninteressant, mich interessierten die Frauen. Ich wünschte mir, ich wäre eine von ihnen. Männer waren in diesen Fantasien nur Statisten.

Aus den ersten pubertären Fantasien wurde schließlich eine handfeste BDSM-Neigung. Nach außen hin übernahm ich dabei als der Mann, der ich vorgab zu sein, die dominierende Rolle. Aber in meiner Fantasie übernahm ich insgeheim die Rolle der submissiven Frau. Das durfte aber natürlich nie jemand wissen.

Meine Gedanken haben sich je länger desto mehr vor allem um BDSM gedreht. Dabei spielten Pornografie (vor allem Bilder und Geschichten) und Masturbation eine wichtige Rolle. Im Rückblick muss ich zugeben, dass ich süchtig war nach Pornografie und Masturbation noch bevor die Pubertät abgeschlossen war.

Ich glaube, es war mein Versuch, die Schrecken der Pubertät – die ungewollten Veränderungen meines Körpers hin zu einem Mann – zu verdrängen. Wahrscheinlich war es aber auch mein Versuch, diese vermeintlichen Gefühle, eine Frau zu sein, zu verdrängen. In meiner Fantasie bestrafte ich diese Frau, um sie auszutreiben. Es durfte sie nicht geben.

Sexuelle Erfahrungen

Die einzigen sexuellen Erfahrungen, die ich jemals gemacht habe, waren mit cis Frauen. Ich habe angenommen, an Frauen interessiert zu sein, also heterosexuell aus Sicht des mir bei der Geburt zugewiesenen männlichen Geschlechts zu sein.

Aber ich weiß nicht, ob ich tatsächlich sexuelles Interesse an Frauen hatte – oder diese Erfahrungen nur suchte, weil ein Mann das ja so macht. Heute denke ich, dass ich schon damals eigentlich asexuell war, kein wirkliches Interesse an sexuellen Beziehungen hatte.

Penetrierender Geschlechtsverkehr war für mich stets schmerzhaft, ich hatte darum auch nie besonders häufig Sex. Aber mir war BDSM ohnehin lieber.

Allerdings habe ich meine sadomasochistischen Neigungen vor allem mit Pornografie und Masturbation ausgelebt. Meine Fantasien habe ich nur zu einem geringen Teil in die Tat umgesetzt.

Aber egal ob in der Fantasie oder tatsächlich ausgeführt: Frauen so zu behandeln passte eigentlich nicht zu meinem Selbstverständnis. Ich habe mich dafür gehasst, weil kein Mann eine Frau so behandeln sollte. Aber ich kam nicht davon weg.

Ich habe die meiste Zeit täglich BDSM-Pornografie konsumiert und masturbiert, manchmal sogar mehr als einmal am Tag. Ich war komplett davon abhängig. Ich war süchtig. Ich war davon gefangen.

Die Bekehrung zum Christentum

1985 begann ich mich für den christlichen Glauben zu interessieren, im August 1986 habe ich mich dann entschieden, mein Leben Jesus zu übergeben, also eine klassische evangelikale Bekehrung.

Im Rückblick denke ich oft, dass ich auch deswegen zum christlichen Glauben fand und mein Leben Jesus übergeben habe, damit der Glaube mir helfen würde, freizuwerden.

Länger als vielleicht eine Woche, wenn es hochkommt zehn Tage, habe ich es nie geschafft – wobei meine Gedanken eigentlich immer um BDSM gekreist haben. Um meinen Wunsch, eine Frau zu sein.

Mit dem Glauben kam zu dem Gefühl, „falsch“ zu sein, das Gefühl hinzu, schuldig, sündig zu sein. Mich als Frau fühlen? BDSM? Pornografie? Masturbation? Das habe ich vor allem als Sünde wahrgenommen. Als etwas, das ich loswerden musste.

Und dennoch: ich kam nicht davon los. Ich habe mich als eine unfreie Person wahrgenommen, gefangen in meinen Fantasien und Wünschen, die ständig in meinem Kopf waren, Gedanken, Bilder, Vorstellungen, der Wunsch, mir diese Texte durchzulesen, diese Bilder anzuschauen, zu masturbieren.

Ich habe, ich weiß nicht wie oft, gebetet, dass Gott mich davon befreit. Ich habe versucht, nicht zu „sündigen“, der Versuchung zu widerstehen. Ich habe mich nach Heilung gesehnt, mich sogar gefragt, ob ich irgendwie besessen sein könnte? Oder war es nur eine Prüfung meines Glaubens?

Aber die Heilung blieb aus, egal wie intensiv ich darum gebetet habe.

Am Schlimmsten war für mich das vermeintliche Gefühl, eine Frau zu sein. Ich habe das für die schlimmste meiner Sünden gehalten, schlimmer noch als BDSM, Pronografie und Masturbation.

Dafür habe ich mich am meisten geschämt, schuldig gefühlt.

Mein Glaube drehte sich eigentlich nur um die Frage: Wie kann ich frei werden, geheilt werden? Für etwas anderes war kaum Platz. Der Wunsch, geheilt zu werden, hat meinen Glauben versklavt. Es war kein freier Glaube. Es ging fast nur darum, dass ich mich sündig fühlte und davon loskommen wollte. Mich nicht mehr als Frau identifizieren. Kein BDSM mehr, keine Pornografie mehr, keine Masturbation mehr. Für anderes war kaum noch Raum in meinem Glauben.

1987, kurz vor meinem 19. Geburtstag, wurde ich in einer afrodeutschen Pfingstgemeinde getauft. Mein Taufspruch war Johannes 8,32: „Und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“

Ich habe damals deutlich gespürt, dass durch diesen Taufspruch Gott direkt zu mir sprach.

Ich glaubte, es hätte etwas mit meiner „Sünde“ zu tun. Ich war überzeugt, Gott würde mich eine Wahrheit erkennen lassen, und dann würde ich frei sein. Nicht mehr dieses Gefühl, ich sei eine Frau. Kein BDSM mehr. Keine Pornografie, keine Masturbation.

Doch nichts geschah. Keine Erkenntnis der Wahrheit, keine Befreiung. Hatte ich mich etwa getäuscht? Sprach der Taufspruch doch nicht in meine Situation hinein, versprach er mit keine Befreiung von meiner vermeintlichen Sünde?

Irgendwann dachte ich, ich hätte mich bezüglich der Bedeutung des Taufspruchs getäuscht. Ich begann anzunehmen, dass es um eine andere Wahrheit gehen würde. Aber immer, wenn ich dachte, ich wüsste jetzt, worum es ging, spürte ich deutlich: Nein, das ist es nicht.

Es sollte noch gut 31 Jahre dauern, bis ich die Wahrheit erkannte und frei wurde, doch dazu später.

Die, die vorgab, ein Mann zu sein, und die Frauen

Ich hatte seit der Jugend einige Beziehungen und einige Freundinnen, war einmal verlobt und habe zweimal geheiratet (die zweite Ehe besteht nach wie vor).

Keine von diesen Frauen (mit einer Ausnahme, aber da kam es nicht zu einer festen Beziehung) war selbst an BDSM interessiert – und ich glaube, ich habe diese Beziehungen gesucht, um ein „normales“ Leben ohne BDSM führen zu können.

Ich habe tatsächlich geglaubt: das wird mir helfen. Wenn ich das mit den Frauen richtig anpacke, wenn ich das richtig anstelle, dann verschwindet dieses vermeintliche Gefühl, eine Frau zu sein. Dann verschwindet das Interesse an BDSM und an all den anderen Dingen.

Das hat natürlich nie funktioniert. Ich habe die Frauen stattdessen nach einer Weile überredet, sich auf BDSM-Spiele mit mir einzulassen.

Im Rückblick weiß ich, wie falsch es war. Wie sehr ich diesen Frauen Schaden zugefügt habe. Auch damals wusste ich schon, dass es falsch war. Aber ich tat es trotzdem. Das sind die schlimmsten Fehler meines Lebens.

Außerdem war es unbefriedigend. Weiterhin wollte eigentlich ich die submissive Frau sein. Nicht der Top in einer SM-Beziehung.

So ging es nun Jahr um Jahr …

Transfeindlichkeit

Ich habe meine Trans*geschlechtlichkeit verdrängt – und eine gewisse Transfeindlichkeit entwickelt. Wahrscheinlich, um die Abwehr meiner eigenen Persönlichkeitsmerkmale zu untermauern. Trans*sein lässt sich einfacher verdrängen, wenn transfeindliche Überzeugungen dabei mithelfen.

Ich frage mich heute, wie oft Transfeindlichkeit darin ihre eigentliche Ursache hat – in einer eigenen verdrängten geschlechtlichen Identität oder in der eigenen Geschlechtsdysphorie? Ich sage nicht, dass das immer die Ursache für Transfeindlichkeit ist, aber in manchen Fällen wahrscheinlich schon.

Es war für mich übrigens nicht ganz einfach, diese Transfeindlichkeit wieder abzulegen. Sie ist tief in mir verwurzelt, ich habe diese Transfeindlichkeit internalisiert.

Unsere Gesellschaft weist eine strukturelle Transfeindlichkeit auf. Wir nehmen transfeindliche (und vor allem transmisogyne) Überzeugungen ganz leicht auf, weil wir ständig damit konfrontiert werden. Und leider verhindert das eigene Trans*sein nicht, dass diese Gedanken in uns wurzeln.

Noch heute ertappe ich mich manchmal bei Gedanken, die eigentlich transfeindlich sind.

Der Weg zum Coming-out

Kurz bevor ich 50 wurde, begann meine Abwehr gegen das „ich bin eine Frau“ zu bröckeln. Ich hatte inzwischen einige Dinge über Trans*sein gelernt, hatte ein paar trans* Personen kennengelernt. Und fand es eigentlich gar nicht mehr so schlimm, wenn Menschen trans* waren. Aber ich natürlich nicht. Nein, ich war nicht trans*. Ich war ein Mann.

Aber wie zuvor erwähnt: Meine Abwehr begann zu bröckeln. Nicht von jetzt auf gleich, aber allmählich.

Ich hatte im April 2018 mit dem Sport Mermaiding begonnen – und aus dem Meermann wurde allmählich eine Meerjungfrau. Im Grunde eine Art Drag Mermaid. Ich fing an, Nagellack in den Farben meines Fischschwanzes zu tragen. Anstelle eines „männlich“ silbernen oder blauen Fischschwanzes kaufte ich mir einen orange Fischschwanz (den Fischschwänzen der Meerjungfrauen in H2O – Plötzlich Meerjungfrau nachempfunden) und schaffte es eines Tages sogar, mit ihm ins Wasser zu gehen (das erste Mal war wirklich eine Überwindung – nun würde doch jeder sehen, dass ich mich als Mädchen fühlte, was ich bis dahin so sehr verbergen wollte). Ich rasierte meinen Bart ab, rasierte meine Körperbehaarung, begann mich fürs Mermaiding sogar zu schminken, Lippenstift zu tragen. Und ich war glücklich. Es war einfach wunderschön. Ich begann mir ein schönes Meerjungfrauen-Top zu wünschen. Ich wollte kein Meermann mehr sein, ich wollte eine echte Meerjungfrau sein.

Einige Zeit später kam dann mein echtes Coming-out als trans Frau. Ich wusste: ich konnte nicht mehr länger vorgeben, ein Mann zu sein. Das war ich nicht. Ich war eine Frau.

Die Drag Mermaid, die glückliche Meerjungfrau, hatte mir die Augen dafür geöffnet, wer ich wirklich bin. Wie glücklich ich war, wenn ich wirklich ich war und nicht länger vorgab, jemand anderes zu sein. Und dass ich endlich so leben wollte.

Und so kam es im November 2018 zu meinem Coming-out.

Nach dem Coming-out

Mit dem Coming-out endeten schlagartig mein Konsum von Pornografie und mein zwanghaftes Masturbieren. Ich hatte einfach kein Interesse mehr daran. Und so ist es seitdem geblieben.

Ich habe eine schwach ausgeprägte masochistische oder eher submissive Neigung (nicht stark genug, um mich tatsächlich als Masochistin zu bezeichnen oder da etwas in die Tat umsetzen zu wollen) – und bin ansonsten asexuell. Mit meiner masochistischen Neigung bin ich versöhnt, weil sie mich die meiste Zeit in Ruhe lässt.

Früher hat BDSM mich beherrscht, mein Denken, mein Fühlen. Ich war eine Gefangene dieser Fantasien und Wünsche.

Heute hat meine masochistische Neigung keine Kontrolle über mich, sie beherrscht weder mein Denken noch mein Fühlen. Sie steht im Hintergrund, hält sich zurück. Sie drängt mich nicht mehr dazu, Pornografie zu konsumieren und zu masturbieren.

Mit meiner Ehefrau bin ich auch nach dem Coming-out immer noch verheiratet – und bin froh, dass BDSM jetzt keine Rolle mehr für mich spielt. Das war für unsere Ehe doch oft belastend.

Und mein Glaube?

Mein Glaube ist nun freier als jemals zuvor. Ich habe als Wahrheit erkannt, dass ich eine Frau bin – und das hat mich dazu befreit, in meiner Beziehung mit Gott neue Wege zu gehen. In meinem Glauben neue Weiten zu erforschen.

Ich spürte recht bald nach dem Coming-out, dass der Taufspruch von 1987 genau das meinte: Die Wahrheit, die ich erkennen musste, war die, dass ich eine Frau bin, eine trans Frau.

Dass Gott mich so geschaffen hat. Ich war nie ein Mann, Gott hat mich nicht als Mann erschaffen, sondern als Frau.

Dass mit mir nichts falsch ist, dass Trans*sein keine Sünde ist, sondern zur Schöpfungsvielfalt gehört. Dass der berühmte Bibelvers „und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde (…) von männlich bis weiblich schuf er sie“ (so eine moderne Übersetzung) die Geschlechtsidentität des Menschen als nichtbinäres Spektrum beschreibt, nicht als Entweder-oder. Die geschlechtliche Vielfalt des Menschen hat ihren Ursprung darin, dass wir nach dem Bild eines Gottes geschaffen sind, der die Vielfalt liebt. Es sollte nicht nur cis Frauen und cis Männer geben, sondern auch nichtbinäre Menschen, trans* Männer und Frauen, inter*geschlechtliche Menschen. Wir alle sind nach dem Bild Gottes geschaffen – und diese Vielfalt erinnert uns daran, von Gott nicht einfältig zu denken.

Als ich diese Wahrheit erkannte, wurde ich befreit zu einem tieferen Glauben, zu einer neuen Beziehung zu Gott. Mein Glaube dreht sich jetzt nicht mehr nur darum: Wie kann ich frei werden. Ich habe entdeckt, dass Gott viel mehr für mich bereithält. Mein Glaube hat an Weite und Tiefe gewonnen.

Es dauerte sehr viele Jahre, die Wahrheit zu erkennen und freizuwerden. Ich habe einfach zu lange an der irrigen Annahme festgehalten, dass Trans*sein falsch ist, eine Sünde ist. Es hat lange gedauert und die Hilfe einer Meerjungfrau gebraucht, um die Wahrheit zu erkennen.

BDSM und der Rest

Im Nachhinein denke ich nicht mehr, dass BDSM Sünde ist. Aber dennoch bin ich froh, dass es für mich praktisch keine Rolle mehr spielt. Ich bin froh, dass mir Pornografie egal ist und ich nicht mehr masturbieren muss.

Ich bin froh, dass mein Coming-out da einen Schlussstrich gezogen hat. Das war unerwartet, nachdem ich so lange – im Prinzip 40 Jahre, eine ganze Wüstenwanderung – erfolglos versucht hatte, davon wegzukommen.

Kurz nach meinem Coming-out als trans* Frau habe ich erkannt, dass ich asexuell bin, dass ich kein Interesse an sexuellen Beziehungen habe. Das hat für mich (und meine Frau) zur Folge, dass ich mit dem Thema romantische Beziehungen und romantische Liebe viel entspannter umgehe. Da ist ganz viel Druck raus, und das ist gut.

Mein Coming-out hat unserer Ehe sehr gutgetan. Ich bin (jedenfalls nach meiner eigenen Überzeugung) eine weit bessere Ehefrau als ich es damals war, als ich noch vorgab, ein Ehemann zu sein.

Die Frauen in meinem Leben waren wohl dazu da, dass ich meine weibliche Identität auf sie projizieren konnte. Durch sie habe ich versucht, meine weibliche Geschlechtsidentität auszudrücken. Das ist nun vorbei. Meine Frau darf endlich immer und jederzeit sie selbst sein und muss nicht mein Bedürfnis, eine Frau zu sein, für mich erfüllen. Sie kann die Frau sein, die sie wirklich ist. Weil ich nun die Frau bin, die ich wirklich bin.

 
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from Michaela Molthagen

Die anstehende Bundestagswahl ist die erste, bei der gleich mehrere Parteien sehr offen gegen trans* Menschen Partei ergreifen und sich populistisch mit Transfeindlichkeit hervortun.

Das sind die CDU/CSU, die sog. AfD und das BSW. Im Mittelpunkt des transfeindlichen Vorgehens bei diesen drei Parteien stehen das Selbstbestimmungsgesetz und der Umgang mit trans* Kindern und Jugendlichen. Sie alle wollen das Selbstbestimmungsgesetz, das erst seit wenigen Monaten in Kraft ist, mindestens stark einschränken, am liebsten abschaffen.

Sie alle wollen gerade bei trans* Kindern und Jugendlichen die Möglichkeiten zur Transition erheblich beschränken – wobei die Erfahrung aus allen anderen Ländern mit solchen Vorhaben zeigt, dass entsprechende Beschränkungen innerhalb kürzester Zeit immer auch auf erwachsene trans* Personen ausgeweitet werden.

Die größte Bedrohung für trans* Personen wäre selbstverständlich eine Koalition von Union und sog. AfD, Union und BSW oder allen dreien.

Es ist nicht ganz klar, was genau diese drei Parteien planen. Bei der Union kristallisiert sich heraus, dass sie eigentlich nur cis Frauen und Männer akzeptieren und inter*geschlechtliche Menschen (mit einer Variation der Geschlechtsentwicklung) dulden, trans* und nichtbinäre Menschen jedoch nicht. Sie werden das Selbstbestimmungsgesetz wahrscheinlich durch ein anderes Gesetz ersetzen, das keine Selbstbestimmung mehr ermöglicht, sondern Fremdbestimmung, Stigmatisierung und Pathologisierung festlegt.

Zum Glück gibt es auch Parteien, die trans* Personen unterstützen und das Selbstbestimmungsgesetz auf jeden Fall beibehalten wollen, allen voran Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke sowie die SPD.

Ich kann darum nur alle, die der Meinung sind, dass Transrechte Menschenrechte sind, bitten, einer dieser Parteien ihre Stimmen zu geben.

Selbst wenn es zu einer schwarz-roten oder grün-roten Koalition kommen sollte, können diese Parteien die Pläne der Union, Transrechte einzuschränken, verhindern. Am ehesten dürfte dies bei einer schwarz-grünen Koalition möglich sein, da dieser Partei die Transrechte besonders wichtig sind, während die SPD 2021 mit ihrem Nein zum Selbstbestimmungsgesetz (trotz entsprechender Vereinbarung im schwarz-roten Koalitionsvertrag) bewiesen hat, dass ihr Transrechte nicht so wichtig sind.

Ihr würdet also mit beiden Stimmen für die Grünen Transrechte am besten verteidigen. Transrechte sind Menschenrechte und damit nicht verhandelbar.

Darüber hinaus ist jede Stimme für die Grünen auch eine Stimme für Klimaschutz und für eine saubere Umwelt.

Es lohnt sich also, die Grünen zu wählen.

 
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