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from Frei. Trans. Baptistin.

Entweder Mann oder Frau – für die meisten von uns gibt es nur diese beiden Möglichkeiten, nur diese binäre Aufteilung. Unsere Gesellschaft ist auf binären Strukturen aufgebaut.

Lange Zeit gab es auch nur diese beiden Optionen für den Geschlechtseintrag. Erst seit einigen Jahren gibt es die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag streichen zu lassen oder (eigentlich ungenau bezeichnet) „divers“ zu wählen.

Andere Kulturen als die unsere kennen durchaus mehr als diese beiden Möglichkeiten, aber in unserer Kultur galt und gilt: entweder Mann oder Frau.

Als ausschlaggebend für die Zuordnung gilt im Prinzip, wie die primären Geschlechtsmerkmale beschaffen sind: Penis und Hoden gleich Mann, Vulva gleich Frau. Die Biologie ist über diese stark vereinfachte Zuordnung längst hinweg und weiß, dass Geschlecht sehr viel komplexer ist. Das beginnt bei inter*geschlechtlichen Menschen mit primären Geschlechtsmerkmalen, die nicht eindeutig zugeordnet werden können und geht inzwischen soweit, dass Neurobiolog*innen eher das Gehirn als das entscheidende Geschlechtsmerkmal betrachten.

Wie dem auch sei: die meisten von uns kennen eigentlich nur entweder Mann oder Frau. Das sagt ja scheinbar auch die Bibel aus: „Und Gott schuf den Menschen als Mann und Frau“ (Genesis 1,27). Wobei eine bessere Übersetzung aus dem Grundtext lautet: „Und Gott schuf den Menschen von männlich bis weiblich“.

Nicht cis

Einige Menschen merken, teilweise schon früh in der Kindheit, dass sie sich nicht dem Geschlecht zuordnen, das ihnen bei der Geburt aufgrund ihrer Genitalien zugewiesen wurde. Eine scheinbar weibliche Person sagt „ich bin ein Junge“, eine scheinbar männliche Person „ich bin ein Mädchen“.

Psycholog*innen diagnostizieren dann bei ihnen eine Geschlechtsdysphorie oder Geschlechtsinkongruenz und vermuten, dass sie transgeschlechtlich sind. Sie bekommen die (inzwischen veraltete) Diagnose F64.0, und nach einer Weile, wenn sich die Vermutung aus psychologischer und ärztlicher Sicht bestätigt, die Diagnose F64.0G, wobei das „G“ für gesichert steht.

Aber einige dieser Personen stellen nach einer Weile fest, sie sind doch …

Nicht trans

Ganz selten (wir reden hier von weniger als 1 %) sind die Personen tatsächlich cis, und die Diagnose war vollkommen verkehrt. In diesen Fällen ist eine Detransition erforderlich.

Aber viel häufiger kommt es vor, dass diese Personen etwas anderes sind, nicht cis, auch nicht trans, sondern:

Nicht binär

Ich gehe davon aus, dass eigentlich jeder Mensch nicht binär ist und dass sich die meisten trotzdem einem der beiden binären Geschlechtermodelle, Mann oder Frau, zuordnen.

Viele sind tatsächlich vor allem männlich oder weiblich und sehen sich dann durch das bei ihnen vorherrschende Geschlecht am besten beschrieben und ordnen sich diesem Geschlecht zu. Manche sagen vielleicht, „ich habe auch Anteile vom anderen Geschlecht“.

Andere glauben halt tatsächlich, dass es eben nur genau zwei Geschlechter gibt und jeder Mensch (mit der seltenen, von ihnen vorwiegend defizitär betrachteten Ausnahme der inter*geschlechtlichen Menschen) entweder Mann oder Frau ist. Sie ignorieren diejenigen ihrer Persönlichkeitsmerkmale, die nicht so recht zu dem passen, als was sie sich sehen wollen. Ich denke, darin sind wir sehr gut: Wir ignorieren, was wir nicht verstehen. Wir verdrängen es.

Aber andere Menschen gehen davon aus, dass Geschlecht nicht binär ist, sondern ein bimodales Spektrum, bei dem die Geschlechter annähernd wie in der folgenden Grafik verteilt sind:

Diagramm

Das heißt, viele Menschen sind tatsächlich vor allem männlich oder weiblich, also nahe der beiden Pole. Aber manche Menschen stehen zwischen den beiden Polen (nichtbinär) oder sogar außerhalb (agender).

Viele Menschen, die nicht binär sind, wissen zwar, dass sie anders sind. Vielleicht denken sie, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Aber damit ein Mensch erkennt, dass dey (ein Pronomen für nichtbinäre Personen) nicht binär ist, muss dey wissen, dass es das überhaupt gibt.

Ohne das Wissen um nichtbinäre Geschlechtsidentitäten kann niemand erkennen, tatsächlich nichtbinär zu sein.

Manche nichtbinäre Menschen denken zuerst, sie seien binär trans – etwas anderes als binäre Geschlechter kennen dey ja nicht. Woher denn auch? Also sehen dey sich als trans Frau oder als trans Mann. Sie transitionieren und versuchen in deys vermeintlich echtem Geschlecht zurechtzukommen.

Und meistens funktioniert das nicht, jedenfalls nicht auf Dauer. Dann kommen Zweifel auf, ob die betreffende Person wirklich trans ist oder womöglich doch cis. Ob die Transition wirklich der richtige Weg war.

Wenn diese Menschen nichtbinäre Personen kennenlernen, merken dey vielleicht, dass diese nichtbinären Personen so sind wie dey selbst. Weder Frau noch Mann. Mit den richtigen Informationen können dey erkennen, dass dey eben nichtbinär sind, dass dey entweder zwischen den Polen stehen oder außerhalb.

Mir ist an dieser Stelle wichtig: Wenn eine Person, die vermeintlich binär trans* ist, mit ihrer binären trans*geschlechtlichen Identität und ihrer Transition im binären Geschlechtermodell nicht so zufrieden ist wie erhofft, kann es gut sein, dass diese Person nichtbinär ist.

In diesem Fall ist es meist sinnvoll, wenn diese Person ihre nichtbinäre Geschlechtsidentität erforscht. Es ist kein Scheitern, wenn die binäre Transition nicht funktioniert hat. Eine nichtbinäre Transition ist in diesen Fällen die richtige Entscheidung.

Wie sind nichtbinäre Geschlechtsidentitäten beschaffen?

Aus der Grafik weiter oben wissen wir, dass manche nichtbinäre Menschen zwischen den beiden Polen stehen, andere aber außerhalb. Nichtbinäre Menschen können also durchaus gar kein Geschlecht haben (agender).

Andere stehen auf dem Spektrum entweder relativ statisch zwischen den beiden Polen (manche näher beim weiblichen Pol, andere näher beim männlichen Pol), andere sind da eher fluide und bewegen sich auf dem Spektrum. Ihre Bewegung kann dabei durchaus das gesamte Spektrum umfassen – und manchmal auch außerhalb der Pole liegen, also geschlechtslos sein.

Es gibt nicht den nichtbinären Menschen. Nicht binäre Geschlechtsidentitäten sind vielfältig wie ein bunter Regenbogen.

Nichtbinäre Menschen in unserer Gesellschaft

Nichtbinäre Menschen haben es in unserer Gesellschaft meist schwerer als binäre Personen, selbst als binäre trans* Personen. Immerhin ist es dank des Selbstbestimmungsgesetzes möglich, den Geschlechtseintrag „divers“ zu bekommen (auch wenn z. B. „nichtbinär“ besser wäre als das sachlich falsche „divers“) oder den Eintrag streichen zu lassen.

Doch an vielen Punkten scheitert unsere Gesellschaft an der Akzeptanz und Integration nichtbinärer Menschen – etwa weil viele Räume wie Toiletten, Umkleideräume usw. binär kodiert sind, weil Pronomen und Anreden meist binär gegendert sind.

Auch im religiösen Bereich stoßen nichtbinäre Menschen oft auf Ablehnung und Ausgrenzung.

Pronomen und Anrede

Unsere Gesellschaft kennt fast nur binäre Pronomen und Anreden und ist ziemlich neben der Spur, wenn es um korrekte Pronomen und Anreden für nichtbinäre und agender Personen geht.

Das Wichtigste vorweg: „Divers“ ist ein amtlicher Geschlechtseintrag, keine Anrede. Es gibt kein Geschlecht, das „divers“ genannt wird oder deren Angehörige so angesprochen werden können.

Die beste Anrede ist etwa „Hallo Vorname“ oder „Guten Tag Vorname Nachname“.

Beim Pronomen gilt: mit dem eigenen Pronomen vorstellen. Dann weiß die andere Person, falls dey nichtbinär oder agender ist, dass ein Bewusstsein für das Thema besteht und kann mit dem gewünschten Pronomen reagieren.

Auch aus diesem Grund verwende ich meine Pronomen (sie/ihr) in meinen Mail-Signaturen und auf meinem Namensschild.

Nichtbinär und geschlechtsbestätigende Medizin

Sowohl das Gesundheitssystem als auch die Krankenversicherungen kennen grundsätzlich nur binäre trans* Personen und darum nur solche Maßnahmen, die einer sog. gegengeschlechtliche Transition dienen, um das männliche oder das weibliche Geschlecht zu bestätigen. Nichtbinäre Menschen sind in diesem System schlicht nicht vorgesehen und werden darum oft an geschlechtsbestätigenden medizinischen Maßnahmen wie Hormonersatztherapie, genitalangleichende Operation, Mastektomie usw. gehindert.

Angesichts dessen sind nichtbinäre Menschen oftmals gezwungen, ein binäres Geschlecht vorzugeben.

Nichtbinär und Trans*

Ich habe nichtbinäre Menschen in diesem Artikel nicht den trans* Personen zugeordnet, sondern im Prinzip drei Gruppen unterschieden: Cis, trans* und nichtbinär.

Tatsächlich gibt es nichtbinäre Menschen, die sich auch als trans* identifizieren, während andere sich als eigene Gruppe neben cis und trans* Personen sehen.

Auf jeden Fall gibt es sowohl binäre als auch nichtbinäre trans* Personen. Die Annahme, alle trans* Personen seien entweder männlich oder weiblich, ist falsch.

Nichtbinär als gender-queere Geschlechtsidentität

Manche cis Menschen lehnen das starre binär-normative Geschlechtersystem und darum auch das ihnen bei der Geburt zugeordnete Geschlecht ab.

Einige von ihnen wählen eine nichtbinäre oder androgyne gender-queere Geschlechtsidentität, um ihre Ablehnung auszudrücken.

Gender-nonconforming

Andere cis Menschen können in den gesellschaftlich erwarteten Verhaltensweisen, die mit dem binären Geschlechtersystem verbunden sind, einfach keinen Sinn erkennen und verhalten sich darum gender-nonconforming, halten sich also nicht an die mit ihrem Geschlecht verbundenen Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft.


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from Michaela Molthagen

Unter der Adresse www.bgr.social habe ich ein neues Projekt gestartet: Baptist*innen gegen Rechts.

Es gibt dazu auch einen Mastodon-Account, @baptist_innen_gegen_rechts@kirche.social.

Warum Baptist*innen gegen Rechts?

Ich bin eine Baptistin gegen Rechts, eine baptistische Antifa

Beides bedeutet nicht, dass ich „linksextrem“ wäre. Ich bin zwar links und Mitglied bei den Grünen, aber vor allem anderen bin ich das, was alle anständigen Menschen sein sollten: Ich bin gegen Rechtsextremismus, ich bin gegen Faschismus.

Ich bin für Demokratie, für Freiheit, für Vielfalt, für Selbstbestimmung und für Gerechtigkeit.

Als Baptistin ist dies in meinem Glauben begründet

Der Baptismus ist für mich ein Glaube, der Freiheit betont. Und weil Rechtsextremismus und Faschismus Freiheit einschränken und behindern und nach Möglichkeit abschaffen, kann ich als Baptistin nur gegen Rechts, gegen Faschismus sein. Sonst würde ich verraten, woran ich glaube.

Der Baptismus ist für mich ein Glaube, der Selbstbestimmung fordert. Wir möchten uns nicht von anderen vorschreiben lassen, wie wir leben sollen. Das gilt zuerst für das Glaubensleben, aber dabei darf es nicht stehen bleiben. Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung, Mündigkeit statt Paternalismus.

Der Baptismus ist für mich ein Glaube, der Vielfalt lebt. Wir sind eine Gemeinschaft mit vielen verschiedenen Menschen und wir glauben, dass alle Menschen bei Gott willkommen sind.

Der Baptismus ist für mich ein Glaube, der Gerechtigkeit liebt. Wir glauben, dass Gott will, dass es gerecht zugeht und niemand bevorzugt oder benachteiligt wird. Das gilt für alle Menschen, auch Frauen, Geflüchtete, Asylbewerber*innen, Armutsbetroffene, Kranke, Behinderte, Queers, Menschen mit Migrationsbiografie und alle anderen. Niemand darf diskriminiert werden.

Der Baptismus ist für mich ein Glaube, der Demokratie bejaht. Wir begrüßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und stehen zu den rechtsstaatlichen Prinzipien, wie sie im Grundgesetz festgelegt sind.

Sollten Baptist*innen nicht politisch neutral sein?

Wir Baptist*innen betonen die Trennung von Staat und Kirche, aber das bedeutet nicht, dass wir politisch neutral sein müssten.

Wir haben eine Verantwortung für unsere Mitmenschen, für die Gesellschaft. Wir sollen immer auch politisch aktive Menschen sein, die sich für andere Menschen einsetzen. Das war immer so: Wir haben uns seit jeher für die allgemeine Religionsfreiheit eingesetzt, für die Trennung von Staat und Kirche, damit jeder Mensch seinen Glauben frei von staatlicher Bevormundung leben kann.

Wir Baptist*innen haben während des NS-Regimes nahezu überall versagt und uns nicht für unsere Mitmenschen eingesetzt. Wir haben uns mit dem Nazi-Regime arrangiert.

Das darf sich heute nicht wiederholen, nicht angesichts des Rechtsrucks in unserer Gesellschaft, der Wahlerfolge der sog. AfD und der nach der Merkel-Ära wieder und dabei immer stärker nach rechts rückenden Union, die im Bundestag bereits gemeinsam mit der sog. AfD abstimmt. Nie wieder ist Jetzt.

Zwischen Faschismus und Antifaschismus kann es keine Mitte geben und keine neutrale Position.

Es ist kein Spektrum, sondern ein Entweder-oder. Entweder stehen wir auf der einen oder auf der anderen Seite. Man kann sich hier nicht nicht positionieren. Es gibt keinen Kompromiss. Wer neutral sein will, lässt den Faschismus gewähren und gewinnen. Wer schweigt, stimmt zu.

Antifaschismus ist nicht zwingend links und schon gar nicht mit Linksextremismus gleichzusetzen.

Und selbst wenn:

  • Linksextremismus und Rechtsextremismus sind nicht gleichzusetzen
  • Rechtsextreme wollen, dass es einigen Menschen besser geht – Linksextreme wollen, dass es allen Menschen besser geht
  • Rechtsextreme greifen eher Menschen an – Linksextreme greifen eher Dinge an
  • Rechtsextreme haben seit 1990 fast 200 Menschen ermordet – Linksextreme haben seit 1990 genau 0 Menschen ermordet.
  • Rechtsextreme sind gegen Menschenrechte – Linksextreme sind für Menschenrechte.
  • Rechtsextreme wollen Gerechtigkeit für sich – Linksextreme wollen Gerechtigkeit für alle Menschen.

Hufeisen?

Manche glauben, Rechts- und Linksextremismus seien die beiden äußeren Enden eines Hufeisens und es gäbe eine Mitte, die von beiden Enden gleich weit entfernt wäre, und diese Mitte müsse man einnehmen.

Die Erfahrung zeigt aber: Die sog. „bürgerliche Mitte“ neigt immer mehr dem Rechtsextremismus zu. Sie fürchtet die Linke, weil sie bürgerliche Privilegien bedroht. Weil sie etwa Menschenrechte gleichmäßig verteilen möchte – die „bürgerliche Mitte“ würde sie gerne etwas ungleicher verteilen, mehr Menschenrechte für die einen, weniger Menschenrechte für die anderen (ich sage aus eigener Betroffenheit nur: „Transrechte“ und „Behindertenrechte“).

Ich gehöre als Baptistin zur Antifa.

Damit wir das gleich klären: Es gibt nicht die Antifa. Die Antifa ist keine Organisation, keine Institution. Antifa ist eine Einstellung von Menschen, die sich für Gerechtigkeit einsetzen und die Gerechtigkeit durch Faschismus bedroht sehen. Jeder anständige Mensch sollte diese Einstellung haben. Antifa bedeutet Anständigkeit.

Antifa bedeutet, sich für Menschenrechte einzusetzen. Antifa bedeutet, sich für gleiche Rechte für alle Menschen einzusetzen.

Wir wollen uns nicht damit zufriedengeben, wenn manche Menschen privilegierter sind als andere. Wir wollen uns nicht damit zufriedengeben, dass es manchen Menschen nur deswegen besser gehen soll, weil sie zufällig in Deutschland aus einer Gebärmutter mit deutschem Pass geboren wurden, weil sie zufällig in eine reiche Familie geboren worden sind, weil sie zufällig mit besseren Chancen ins Leben gestartet sind. Das ist nicht gerecht. Das können wir nicht einfach hinnehmen. Darum sind wir Antifa und stellen uns gegen jene, die diese Ungerechtigkeiten zementieren wollen: Gegen Faschisten, gegen Rechtsextreme, gegen Nazis.

Wir sind für Gerechtigkeit, für Vielfalt, für Freiheit, für Selbstbestimmung, für Demokratie.

 
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from Michaela Molthagen

In den Medien las ich jetzt häufiger, das Selbstbestimmungsgesetz würde die Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen erleichtern, und das sei ein großer Vorteil dieses Gesetzes.

Wir begrüßen das durchaus, aber etwas anderes begrüßen die meisten von uns weitaus mehr:

Nämlich dass das Selbstbestimmungsgesetz es uns ermöglicht, Geschlechtseintrag und Vornamen zu ändern, ohne dass wir uns dabei stigmatisieren und pathologisieren lassen müssen. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz fällt bei trans* und nichtbinären Personen das Stigma „mental gestört“ und bei inter*geschlechtlichen Personen das Stigma „körperlich falsch“ weg.

Es steht nicht mehr eine vermeintliche mentale Störung im Mittelpunkt oder dass inter*geschlechtliche Personen eine Variante der körperlichen Geschlechtsentwicklung aufweisen.

Es sind keine psychiatrischen oder medizinischen Untersuchungen mehr erforderlich, die uns den Stempel „Abweichung!“ und „krank!“ aufdrücken.

Dass gerade bei trans* und nichtbinären Personen das Stigma „mental gestört“ wegfällt, ist nun aber ein Grund, dass Konservative gegen dieses Gesetz Sturm laufen.

Denn dass wir normal sein sollen, das wollen und können viele Konservative nicht akzeptieren. Sie können oft nicht anders, als zu betonen, dass wir andersartig sind, uns von „normalen“ Menschen unterscheiden, dass wir defizitär sind.

Darum wird unsere Existenz oft als „leidend“ beschrieben und die Geschlechtsdysphorie (anstelle der Geschlechtseuphorie, des Trans Joy) regelmäßig in den Mittelpunkt gestellt.

Der Trans Joy, die oft überschäumende trans*geschlechtliche Euphorie, ist ungern gesehen. Freude ist vermeintlich normalen Menschen vorbehalten, für trans* Personen ist Dysphorie vorgesehen.

Darum versucht das Cistem, der cis-dominierte konservative Teil der Politik, auch, die trans*geschlechtliche Euphorie zu verhindern, indem uns der Weg zu uns selbst möglichst erschwert wird: Hürden bei der Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen, Hürden bei der sozialen und vor allem medizinischen Transition, Förderung von Misgendering und Deadnaming.

Trans* und nichtbinäre Personen sollen möglichst daran gehindert werden, ihr Dasein mit Freude und Glück zu genießen. Sie sollen dem Klischee der leidenden trans* Person entsprechen, weil Glück nur den „normalen Menschen“, also den cis Menschen, vorbehalten ist.

 
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from Frei. Trans. Baptistin.

Als trans Frau und Baptistin habe ich die gestrige Bundestagswahl mit großer Sorge verfolgt.

Wie viele Menschen würden transfeindliche Parteien wählen? Wie viele dieser Parteien würden anschließend wie stark im neuen Bundestag vertreten sein?

Das Ergebnis ist nicht so gut wie erhofft, schlimmer als erwartet, aber wenigstens nicht ganz so schlimm wie befürchtet. Die transfeindliche sog. AfD steht bei rund 20 %, die transfeindliche Union bei rund 30 %. Wenigstens ist das BSW, eine weitere transfeindliche Partei, knapp an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Dafür ist die FDP, die Transrechte im Allgemeinen unterstützt, ebenfalls daran gescheitert.

Für mich als trans Frau heißt das:

Im neuen Bundestag sitzen Abgeordnete, von denen jeder zweite trans* Personen in ihrer Freiheit, in ihren Rechten beschneiden will.

Die Abgeordneten der AfD etwas mehr, die der Union etwas weniger.

  • Aber sie alle sind gegen das Selbstbestimmungsgesetz, gegen geschlechtliche Selbstbestimmung
  • Sie wollen die notwendige medizinische Versorgung von trans* Personen einschränken oder sogar abschaffen, zuerst bei Minderjährigen (und wie die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, folgt sehr bald darauf die Einschränkung auch bei Erwachsenen)
  • Sie wollen trans* Frauen aus bestimmten Räumen heraushalten
  • Sie wollen trans* Frauen aus dem Frauensport verbannen
  • Sie wollen nicht, dass uns in Fällen häuslicher oder sexualisierter Gewalt geholfen wird
  • Sie würden es begrüßen, wenn wir gar nicht existieren würden
  • Sie fordern Maßnahmen, die uns stigmatisieren und pathologisieren
  • Sie glauben entgegen biologischer Fakten, dass es eigentlich nur cis Frauen und cis Männer gibt, außerdem einige Menschen mit einer „Variante der Geschlechtsentwicklung“ (inter*geschlechtliche Menschen) und einige wenige Menschen, die aufgrund einer mentalen Störung namens „Transsexualismus“ fälschlich glauben, dem anderen als dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht anzugehören
  • Sie verbreiten regelmäßig Vorurteile und Verschwörungsmythen, wenn sie über trans* Personen sprechen
  • Sie laden bevorzugt transfeindlich gesinnte Menschen ein, wenn etwa in Ausschüssen über Fragen gesprochen wird, die trans* Personen betreffen
  • Sie wollen bestimmen, wer tatsächlich trans* (und dementsprechend krank) ist – und wer nicht
  • Sie zementieren eine cis-dominierte und strukturell transfeindliche Politik, die geschlechtliche Vielfalt unsichtbar macht und trans* Personen stigmatisiert
  • Sie glauben an eine angeblich übermächtige „Trans-Lobby“, die bekämpft werden müsse

Als trans* Frau und Baptistin wünsche ich mir von meiner eigenen Kirche, dem Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (BEFG), und von den anderen christlichen Kirchen im Land, dass transfeindlichen Äußerungen und Forderungen im Bundestag entschieden widersprochen wird.

Und das ist seit gestern noch wichtiger als je zuvor, weil der neue Bundestag deutlich transfeindlicher ist als der vorherige.

Das zeigt sich bereits beim Kanzlerkandidaten der Union, der bereits angekündigt hat, das erst im November 2024 in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen zu wollen. Ohne Belege und entgegen aller Tatsachen behauptet er schon jetzt, es habe sich angeblich erwiesen, dass das Selbstbestimmungsgesetz „falsch“ sei.

Gegen diese Transfeindlichkeit im Bundestag benötigen wir den Beistand der christlichen Kirchen.

Das beginnt damit, dass die Kirchen uns trans* Personen aufmerksam zuhören. Es ist wichtig, dass sie mit uns sprechen und nicht über uns oder über unsere Köpfe hinweg. Wir wollen ernst genommen, als mündige Gesprächspartner akzeptiert werden.

Wir trans* Menschen – die wir übrigens alle einmal trans* Kinder waren, da Trans*sein angeboren ist – wissen am besten, was für uns gut ist.

Wir sind Expert*innen, wenn es um Trans*sein geht. Auch um das Trans*sein bei Kindern; denn wie ich schon schrieb: Wir alle waren selbst einmal trans* Kinder. Wir haben alle Erfahrung damit, was es bedeutet, eine Kindheit, eine Pubertät, eine Jugend als Trans* zu haben.

Übrigens: 95–98 % der Kinder, die sich als trans* geoutet haben, bleiben ihr Leben lang dabei. Die, die damit aufhören, tun dies fast ausnahmslos aufgrund von Mobbing, Ausgrenzung, Diskriminierung oder infolgedessen, dass ihnen eingeredet wird, dass sie doch nicht trans* seien – und nicht, weil sie tatsächlich nicht trans* sind. Das kommt zwar vor, aber nur sehr selten.

Eine psychotherapeutische Begleitung von trans* Personen muss emphatisch und affirmativ sein. Affirmativ bedeutet, sie muss die Klient*innen darin unterstützen, ihre trans*geschlechtliche Identität zu erforschen, zu bejahen, zu festigen und zu integrieren. Ist eine Person doch nicht trans*geschlechtlich, so wird sich das bei einer solchen Therapie recht schnell zeigen, da die Festigung und Integration dann nicht gelingen werden und die Person dies selbst erkennt.

Eine solche Begleitung darf nicht, weder offen noch getarnt, als Konversionstherapie trans* Personen und besonders trans* Kindern und Jugendlichen irreversible Schäden zufügen. Auch sogenannte hinterfragende Therapien verursachen irreversible Schäden und können zu Depressionen und sogar zu Suizidversuchen führen. Sie sind sehr gefährlich.

Ebenso gefährlich ist es, trans* Kinder zu zwingen, die Pubertät durchzumachen. In keiner Phase ihres Lebens sind trans* Kinder mehr gefährdet als während der Pubertät. In dieser Phase steigt das Risiko, an Depressionen zu erkranken oder einen Suizidversuch zu unternehmen, sehr stark an.

Trans* Personen besitzen einen enormen Erfahrungsschatz zum Thema Trans*sein. Diesen Erfahrungsschatz besitzt sonst niemand. Er kann nicht durch Studium oder therapeutische Erfahrung erlernt werden. Und doch werden wir als Expert*innen in eigener Sache oft ignoriert oder nicht ernst genommen. Wir werden immer wieder entmündigt.

Das ist, als würden Rechtshänder*innen entscheiden, was für Linkshänder*innen am besten ist (und ja, das war bis vor einigen Jahrzehnten noch üblich).

Wir wollen gehört und ernst genommen werden – und wir wollen, dass sich die christlichen Kirchen für uns einsetzen und fordern, dass Transrechte als Menschenrechte anerkannt und geschützt werden. Wir wollen, dass Selbstbestimmung für trans* Personen geschützt wird. Wir wollen nicht stigmatisiert und pathologisiert werden. Wir wollen nicht entmündigt werden.

Transrechte sind Menschenrechte. Sie sind keine Sonderrechte, sondern bedeuten, dass wir die gleichen Rechte genießen können wie cis Personen.

 
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from Michaela Molthagen

… macht sich Ernüchterung bei mir breit. Das Ergebnis ist nicht so gut wie erhofft, schlimmer als erwartet, aber wenigstens nicht so schlimm wie befürchtet. Mehr als jeder zweite Wählende hat sich für die Union, die sog. AfD oder das BSW entschieden und damit für rechtsextreme Parteien oder deren rechte Steigbügelhalter. Die Grünen, SPD und Die Linke kommen zusammen auf nicht einmal die Hälfte der Stimmen.

Oder wie ich als trans Frau nun erkenne: Mehr als die Hälfte der Menschen in diesem Land hat offensichtlich kein Problem damit, wenn meine Rechte beschnitten werden. Immerhin muss ich keine Deportation fürchten wie viele andere Menschen in diesem Land, nur Verweigerung meiner Rechte – und Transrechte sind Menschenrechte – und einer erforderlichen medizinischen Versorgung.

Erschreckend ist für mich das Ergebnis von Bündnis 90/Die Grünen, also meiner eigenen Partei, der ich kurz vor der Wahl noch beigetreten bin. Zwar ist unser Absturz nicht so dramatisch wie bei der FDP und der SPD, aber dennoch:

Laut „taz“ konnten wir nur 350.000 neue Wähler*innen gewinnen, 140.000 von der FDP, 100.000 von der SPD und 110.000 Nichtwähler*innen von 2021. Das ist wirklich sehr wenig.

Dafür haben wir 1,72 Millionen Wählende an andere Parteien verloren: erschreckende 1.020.000 an rechte Parteien (jeweils 460.000 an die Union und an das BSW sowie 100.000 an die sog. AfD) und 700.000 an Die Linke. Wir haben also mehr Wähler*innen nach rechts als nach links verloren.

Positiv ist, dass SPD, Die Grünen und Die Linke im neuen Bundestag eine Sperrminorität haben. Für die rechten und rechtsextremen Parteien gibt es keine Zweidrittelmehrheit, wenn wir zusammenhalten.

Positiv ist auch: Das rechts-christliche „Bündnis C“ und die sog. Werteunion liegen bei gerundet 0,0 % und noch positiver ist: Die FDP und das BSW werden im neuen Bundestag nicht mehr vertreten sein.

Negativ ist: Der neue Kanzler kommt von der Union und wird Friedrich Merz sein, ein Trump aus dem Discounter. Das bedeutet für Deutschland in bestimmten Bereichen Stillstand, in anderen Rückwärtsgang, in keinem Bereich Fortschritt. Menschenrechtlich, finanziell, vom Klimaschutz her und wirtschaftlich wird es katastrophal werden. Die Inflation wird drastisch steigen, die Schere zwischen Arm und Reich wird größer werden, die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer, immer mehr Ärmere. Mieten werden explodieren, Kinder werden verarmen. Es wird mehr Insolvenzen geben, mehr Arbeitslose und natürlich mehr Klimakatastrophen. In einer schwierigen Zeit hat sich Deutschland entschieden, mit Vollgas auf den Abgrund zuzurasen. In ein paar Jahren werden wir den gestrigen Tag aus dem Kalender streichen wollen.

Als trans Frau gehöre ich zu jenen Bevölkerungsminderheiten, die von der neuen Regierung unter Merz (und der sog. AfD) besonders unter Beschuss genommen werden. Eine von vielen Minderheiten, deren Rechte auf der Kippe stehen (und dabei eine oft übersehene Minderheit). Eine mögliche schwarz-rote Koalition wird wahrscheinlich das Selbstbestimmungsgesetz stark einschränken oder abschaffen, was besonders nichtbinäre und agender Menschen treffen wird. Und auch die medizinische Transition wird politisch unter Beschuss geraten, zuerst für Minderjährige, dann aber auch – Erfahrungen aus anderen Ländern beweisen das – für Erwachsene. Tatsächlich rechne ich damit, dass die 2019 erfolgte Änderung meines Geschlechtseintrags und meiner Vornamen noch in diesem Jahr durch eine CDU-geführte Bundesregierung rückgängig gemacht werden könnte. Eine Mehrheit im Bundestag ist Merz dafür sicher.

Ich bin geknickt, aber nicht gebrochen – und ich werde jetzt durchatmen, meine Krone richten, das aufgeschlagene Knie verpflastern und dann für unsere Rechte demonstrieren.

Nicht nur für meine Rechte, denn unser Kampf für Demokratie, Freiheit, Vielfalt und Selbstbestimmung muss intersektional sein. Für Menschen mit Migrationsbiografie, für Geflüchtete, für Frauen und FLINTA+, für Armutsbetroffene, für Behinderte und Be_Hinderte, für Autist*innen und Menschen mit ADHS/AuDHS, für LGBTIQA+, für Depressive, für Jüdinnen*Juden. Die verschiedenen Diskriminierungsformen sind miteinander verwoben, die meisten Menschen sind mehrfach benachteiligt oder diskriminiert.

Besonders schmerzt es mich als trans* Frau, dass eine größer werdende Gruppe von Menschen aus dem LGB-Spektrum sich von denen aus dem TIQA+-Spektrum lossagt, sich von Queer distanziert. Nicht selten sind diese Menschen allerdings auch rassistisch, ableistisch und saneistisch. Nur weil wir schwul, lesbisch, bi, trans oder nichtbinär sind, sind wir halt nicht auch automatisch gut und „woke“.

Ich hoffe, dass wir Queers nicht vergessen werden, wenn Menschen für Demokratie, Freiheit, Vielfalt und Selbstbestimmung demonstrieren. Aber ich fürchte, dass genau das passieren könnte, dass wir zugunsten anderer Minderheiten ignoriert werden.

Als Christin bete ich um Kraft für die kommenden Jahre. Ich sehe beunruhigt in die Zukunft, aber ich weiß, dass ich nicht tiefer als in Gottes Hand fallen kann.

Was gewiss ist: Unsere Feinde bekommen weder meine Verzweiflung noch meinen Hass. Ich bin, was ich bin – und so werde ich leben und, wenn es denn sein soll, sterben.

Als Christin weiß ich, dass Gott mich als trans Frau geschaffen hat. Und dass er geschlechtliche Vielfalt einschließlich Trans*geschlechtlichkeit liebt. Ich werde niemals aufhören, das zu glauben und zu bekennen, gegen jede Irrlehre, nach der es angeblich „biologisch bewiesen“ sei, dass es „nur Männer und Frauen“ gibt.

Gott wird mir, Gott wird uns die Kraft dafür geben, wenn wir ihn darum bitten und seine Nähe suchen. Wer uns abweist, wenn wir Hilfe in Bedrängnis und Not suchen, der weist Jesus ab – dessen bin ich gewiß.

Jetzt erst recht.

Nachtrag: Ich hoffe, wenn auch wahrscheinlich vergeblich, dass die amtierende Bundesregierung jetzt, wo es nicht mehr als Wahlbeeinflussung gelten kann, beim Bundesverfassungsgericht die Prüfung eines Verbots der sog. AfD beantragt. Das Recht dazu hat sie, aber ob sie auch den Willen dazu hat?

Nachtrag 2: Nach dieser Wahl können die christlichen Kirchen nicht einfach zum Alltag übergehen und sich mit dem Wahlergebnis arrangieren. Dass jeder Fünfte die sog. AfD gewählt hat, muss einen Aufschrei in den Kirchen geben. Dass die Union sich der sog. AfD als Steigbügelhalter angedient hat und weiterhin andient, darf in unseren Kirchen nicht unerwähnt bleiben.


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from Frei. Trans. Baptistin.

Triggerwarnung: Dieser Artikel erwähnt häufig Sexualität, sexuelle Orientierung, Geschlechtsverkehr, Genitalien, Masturbation und Pornografie sowie BDSM. Außerdem enthält der Artikel Hinweise auf internalisierte Transfeindlichkeit.

Ich finde es spannend, wie sich meine Sexualität seit meinem Coming-out als trans Frau verändert hat. Im Folgenden versuche ich es zu beschreiben, vor allem für andere trans* Personen.

Es ist schließlich oft aufschlussreich, die eigene Entwicklung mit der von anderen zu vergleichen. Vielleicht erkennt sich die eine oder andere Person darin wieder.

Vor dem Coming-out

Junge oder Mädchen?

Bei der Geburt wurde ich (entgegen der „Vorhersage“ einer Wahrsagerin, meine Mutter würde ein Mädchen zur Welt bringen) dem männlichen Geschlecht zugewiesen.

Mit etwa vier, fünf Jahren (also lange vor der Pubertät) erkannte ich aber, dass ich kein Junge, sondern ein Mädchen bin.

Ich habe das meiner Mutter erzählt, und sie brachte mich dann zu einer Psychologin, die mich wohl „heilen“ sollte (zumal mein Vater nichts davon wissen durfte). Gelernt habe ich dabei, dass mit mir angeblich etwas nicht stimmt. Dass es falsch ist, wenn ein Kind, dem das männliche Geschlecht zugewiesen worden war, denkt, es sei ein Mädchen. Dass ich das niemandem erzählen darf (hauptsächlich nicht meinem Vater). Ich sollte nie darüber reden.

Ich lernte also, als Junge zu leben, ich lernte vorzugeben, männlich zu sein. Wann immer das vermeintliche Gefühl auftauchte, ich sei ein Mädchen, habe ich mich falsch gefühlt. Mit mir stimmt etwas nicht – anders konnte ich mir das nicht erklären. Und ich konnte mit niemandem darüber reden.

Natürlich gab es auch niemanden, die oder der mir gezeigt hätte, dass es auch andere Menschen wie mich gibt. Dass ich nicht allein bin.

So begann die lange Phase, in der ich vorgab, ein Junge, ein Mann zu sein. Fünfundvierzig Jahre lang.

Die Pubertät: das Erwachen der Sexualität

Mit der Pubertät erwachte nicht mein Interesse an Sex, sondern an BDSM. Gefesselte Frauen, Frauen, die als Sklavinnen leben müssen – das beflügelte die Fantasie, als meine Sexualität zu erwachen begann.

Meine ersten Fantasien kamen aus eigentlich harmlosen Fernsehfilmen, in denen Frauen etwa in einem Harem gefangen gehalten wurden. Ich wünschte mich selbst an die Stelle dieser Frauen – und konnte nicht verstehen, warum ich mehr davon fantasierte, eine der gefangenen Frauen zu sein und nicht einer der Männer, der sie entweder gefangen hält oder heldenhaft befreit. Nein, die Männer waren für mich uninteressant, mich interessierten die Frauen. Ich wünschte mir, ich wäre eine von ihnen. Männer waren in diesen Fantasien nur Statisten.

Aus den ersten pubertären Fantasien wurde schließlich eine handfeste BDSM-Neigung. Nach außen hin übernahm ich dabei als der Mann, der ich vorgab zu sein, die dominierende Rolle. Aber in meiner Fantasie übernahm ich insgeheim die Rolle der submissiven Frau. Das durfte aber natürlich nie jemand wissen.

Meine Gedanken haben sich je länger desto mehr vor allem um BDSM gedreht. Dabei spielten Pornografie (vor allem Bilder und Geschichten) und Masturbation eine wichtige Rolle. Im Rückblick muss ich zugeben, dass ich süchtig war nach Pornografie und Masturbation noch bevor die Pubertät abgeschlossen war.

Ich glaube, es war mein Versuch, die Schrecken der Pubertät – die ungewollten Veränderungen meines Körpers hin zu einem Mann – zu verdrängen. Wahrscheinlich war es aber auch mein Versuch, diese vermeintlichen Gefühle, eine Frau zu sein, zu verdrängen. In meiner Fantasie bestrafte ich diese Frau, um sie auszutreiben. Es durfte sie nicht geben.

Sexuelle Erfahrungen

Die einzigen sexuellen Erfahrungen, die ich jemals gemacht habe, waren mit cis Frauen. Ich habe angenommen, an Frauen interessiert zu sein, also heterosexuell aus Sicht des mir bei der Geburt zugewiesenen männlichen Geschlechts zu sein.

Aber ich weiß nicht, ob ich tatsächlich sexuelles Interesse an Frauen hatte – oder diese Erfahrungen nur suchte, weil ein Mann das ja so macht. Heute denke ich, dass ich schon damals eigentlich asexuell war, kein wirkliches Interesse an sexuellen Beziehungen hatte.

Penetrierender Geschlechtsverkehr war für mich stets schmerzhaft, ich hatte darum auch nie besonders häufig Sex. Aber mir war BDSM ohnehin lieber.

Allerdings habe ich meine sadomasochistischen Neigungen vor allem mit Pornografie und Masturbation ausgelebt. Meine Fantasien habe ich nur zu einem geringen Teil in die Tat umgesetzt.

Aber egal ob in der Fantasie oder tatsächlich ausgeführt: Frauen so zu behandeln passte eigentlich nicht zu meinem Selbstverständnis. Ich habe mich dafür gehasst, weil kein Mann eine Frau so behandeln sollte. Aber ich kam nicht davon weg.

Ich habe die meiste Zeit täglich BDSM-Pornografie konsumiert und masturbiert, manchmal sogar mehr als einmal am Tag. Ich war komplett davon abhängig. Ich war süchtig. Ich war davon gefangen.

Die Bekehrung zum Christentum

1985 begann ich mich für den christlichen Glauben zu interessieren, im August 1986 habe ich mich dann entschieden, mein Leben Jesus zu übergeben, also eine klassische evangelikale Bekehrung.

Im Rückblick denke ich oft, dass ich auch deswegen zum christlichen Glauben fand und mein Leben Jesus übergeben habe, damit der Glaube mir helfen würde, freizuwerden.

Länger als vielleicht eine Woche, wenn es hochkommt zehn Tage, habe ich es nie geschafft – wobei meine Gedanken eigentlich immer um BDSM gekreist haben. Um meinen Wunsch, eine Frau zu sein.

Mit dem Glauben kam zu dem Gefühl, „falsch“ zu sein, das Gefühl hinzu, schuldig, sündig zu sein. Mich als Frau fühlen? BDSM? Pornografie? Masturbation? Das habe ich vor allem als Sünde wahrgenommen. Als etwas, das ich loswerden musste.

Und dennoch: ich kam nicht davon los. Ich habe mich als eine unfreie Person wahrgenommen, gefangen in meinen Fantasien und Wünschen, die ständig in meinem Kopf waren, Gedanken, Bilder, Vorstellungen, der Wunsch, mir diese Texte durchzulesen, diese Bilder anzuschauen, zu masturbieren.

Ich habe, ich weiß nicht wie oft, gebetet, dass Gott mich davon befreit. Ich habe versucht, nicht zu „sündigen“, der Versuchung zu widerstehen. Ich habe mich nach Heilung gesehnt, mich sogar gefragt, ob ich irgendwie besessen sein könnte? Oder war es nur eine Prüfung meines Glaubens?

Aber die Heilung blieb aus, egal wie intensiv ich darum gebetet habe.

Am Schlimmsten war für mich das vermeintliche Gefühl, eine Frau zu sein. Ich habe das für die schlimmste meiner Sünden gehalten, schlimmer noch als BDSM, Pronografie und Masturbation.

Dafür habe ich mich am meisten geschämt, schuldig gefühlt.

Mein Glaube drehte sich eigentlich nur um die Frage: Wie kann ich frei werden, geheilt werden? Für etwas anderes war kaum Platz. Der Wunsch, geheilt zu werden, hat meinen Glauben versklavt. Es war kein freier Glaube. Es ging fast nur darum, dass ich mich sündig fühlte und davon loskommen wollte. Mich nicht mehr als Frau identifizieren. Kein BDSM mehr, keine Pornografie mehr, keine Masturbation mehr. Für anderes war kaum noch Raum in meinem Glauben.

1987, kurz vor meinem 19. Geburtstag, wurde ich in einer afrodeutschen Pfingstgemeinde getauft. Mein Taufspruch war Johannes 8,32: „Und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“

Ich habe damals deutlich gespürt, dass durch diesen Taufspruch Gott direkt zu mir sprach.

Ich glaubte, es hätte etwas mit meiner „Sünde“ zu tun. Ich war überzeugt, Gott würde mich eine Wahrheit erkennen lassen, und dann würde ich frei sein. Nicht mehr dieses Gefühl, ich sei eine Frau. Kein BDSM mehr. Keine Pornografie, keine Masturbation.

Doch nichts geschah. Keine Erkenntnis der Wahrheit, keine Befreiung. Hatte ich mich etwa getäuscht? Sprach der Taufspruch doch nicht in meine Situation hinein, versprach er mit keine Befreiung von meiner vermeintlichen Sünde?

Irgendwann dachte ich, ich hätte mich bezüglich der Bedeutung des Taufspruchs getäuscht. Ich begann anzunehmen, dass es um eine andere Wahrheit gehen würde. Aber immer, wenn ich dachte, ich wüsste jetzt, worum es ging, spürte ich deutlich: Nein, das ist es nicht.

Es sollte noch gut 31 Jahre dauern, bis ich die Wahrheit erkannte und frei wurde, doch dazu später.

Die, die vorgab, ein Mann zu sein, und die Frauen

Ich hatte seit der Jugend einige Beziehungen und einige Freundinnen, war einmal verlobt und habe zweimal geheiratet (die zweite Ehe besteht nach wie vor).

Keine von diesen Frauen (mit einer Ausnahme, aber da kam es nicht zu einer festen Beziehung) war selbst an BDSM interessiert – und ich glaube, ich habe diese Beziehungen gesucht, um ein „normales“ Leben ohne BDSM führen zu können.

Ich habe tatsächlich geglaubt: das wird mir helfen. Wenn ich das mit den Frauen richtig anpacke, wenn ich das richtig anstelle, dann verschwindet dieses vermeintliche Gefühl, eine Frau zu sein. Dann verschwindet das Interesse an BDSM und an all den anderen Dingen.

Das hat natürlich nie funktioniert. Ich habe die Frauen stattdessen nach einer Weile überredet, sich auf BDSM-Spiele mit mir einzulassen.

Im Rückblick weiß ich, wie falsch es war. Wie sehr ich diesen Frauen Schaden zugefügt habe. Auch damals wusste ich schon, dass es falsch war. Aber ich tat es trotzdem. Das sind die schlimmsten Fehler meines Lebens.

Außerdem war es unbefriedigend. Weiterhin wollte eigentlich ich die submissive Frau sein. Nicht der Top in einer SM-Beziehung.

So ging es nun Jahr um Jahr …

Transfeindlichkeit

Ich habe meine Trans*geschlechtlichkeit verdrängt – und eine gewisse Transfeindlichkeit entwickelt. Wahrscheinlich, um die Abwehr meiner eigenen Persönlichkeitsmerkmale zu untermauern. Trans*sein lässt sich einfacher verdrängen, wenn transfeindliche Überzeugungen dabei mithelfen.

Ich frage mich heute, wie oft Transfeindlichkeit darin ihre eigentliche Ursache hat – in einer eigenen verdrängten geschlechtlichen Identität oder in der eigenen Geschlechtsdysphorie? Ich sage nicht, dass das immer die Ursache für Transfeindlichkeit ist, aber in manchen Fällen wahrscheinlich schon.

Es war für mich übrigens nicht ganz einfach, diese Transfeindlichkeit wieder abzulegen. Sie ist tief in mir verwurzelt, ich habe diese Transfeindlichkeit internalisiert.

Unsere Gesellschaft weist eine strukturelle Transfeindlichkeit auf. Wir nehmen transfeindliche (und vor allem transmisogyne) Überzeugungen ganz leicht auf, weil wir ständig damit konfrontiert werden. Und leider verhindert das eigene Trans*sein nicht, dass diese Gedanken in uns wurzeln.

Noch heute ertappe ich mich manchmal bei Gedanken, die eigentlich transfeindlich sind.

Der Weg zum Coming-out

Kurz bevor ich 50 wurde, begann meine Abwehr gegen das „ich bin eine Frau“ zu bröckeln. Ich hatte inzwischen einige Dinge über Trans*sein gelernt, hatte ein paar trans* Personen kennengelernt. Und fand es eigentlich gar nicht mehr so schlimm, wenn Menschen trans* waren. Aber ich natürlich nicht. Nein, ich war nicht trans*. Ich war ein Mann.

Aber wie zuvor erwähnt: Meine Abwehr begann zu bröckeln. Nicht von jetzt auf gleich, aber allmählich.

Ich hatte im April 2018 mit dem Sport Mermaiding begonnen – und aus dem Meermann wurde allmählich eine Meerjungfrau. Im Grunde eine Art Drag Mermaid. Ich fing an, Nagellack in den Farben meines Fischschwanzes zu tragen. Anstelle eines „männlich“ silbernen oder blauen Fischschwanzes kaufte ich mir einen orange Fischschwanz (den Fischschwänzen der Meerjungfrauen in H2O – Plötzlich Meerjungfrau nachempfunden) und schaffte es eines Tages sogar, mit ihm ins Wasser zu gehen (das erste Mal war wirklich eine Überwindung – nun würde doch jeder sehen, dass ich mich als Mädchen fühlte, was ich bis dahin so sehr verbergen wollte). Ich rasierte meinen Bart ab, rasierte meine Körperbehaarung, begann mich fürs Mermaiding sogar zu schminken, Lippenstift zu tragen. Und ich war glücklich. Es war einfach wunderschön. Ich begann mir ein schönes Meerjungfrauen-Top zu wünschen. Ich wollte kein Meermann mehr sein, ich wollte eine echte Meerjungfrau sein.

Einige Zeit später kam dann mein echtes Coming-out als trans Frau. Ich wusste: ich konnte nicht mehr länger vorgeben, ein Mann zu sein. Das war ich nicht. Ich war eine Frau.

Die Drag Mermaid, die glückliche Meerjungfrau, hatte mir die Augen dafür geöffnet, wer ich wirklich bin. Wie glücklich ich war, wenn ich wirklich ich war und nicht länger vorgab, jemand anderes zu sein. Und dass ich endlich so leben wollte.

Und so kam es im November 2018 zu meinem Coming-out.

Nach dem Coming-out

Mit dem Coming-out endeten schlagartig mein Konsum von Pornografie und mein zwanghaftes Masturbieren. Ich hatte einfach kein Interesse mehr daran. Und so ist es seitdem geblieben.

Ich habe eine schwach ausgeprägte masochistische oder eher submissive Neigung (nicht stark genug, um mich tatsächlich als Masochistin zu bezeichnen oder da etwas in die Tat umsetzen zu wollen) – und bin ansonsten asexuell. Mit meiner masochistischen Neigung bin ich versöhnt, weil sie mich die meiste Zeit in Ruhe lässt.

Früher hat BDSM mich beherrscht, mein Denken, mein Fühlen. Ich war eine Gefangene dieser Fantasien und Wünsche.

Heute hat meine masochistische Neigung keine Kontrolle über mich, sie beherrscht weder mein Denken noch mein Fühlen. Sie steht im Hintergrund, hält sich zurück. Sie drängt mich nicht mehr dazu, Pornografie zu konsumieren und zu masturbieren.

Mit meiner Ehefrau bin ich auch nach dem Coming-out immer noch verheiratet – und bin froh, dass BDSM jetzt keine Rolle mehr für mich spielt. Das war für unsere Ehe doch oft belastend.

Und mein Glaube?

Mein Glaube ist nun freier als jemals zuvor. Ich habe als Wahrheit erkannt, dass ich eine Frau bin – und das hat mich dazu befreit, in meiner Beziehung mit Gott neue Wege zu gehen. In meinem Glauben neue Weiten zu erforschen.

Ich spürte recht bald nach dem Coming-out, dass der Taufspruch von 1987 genau das meinte: Die Wahrheit, die ich erkennen musste, war die, dass ich eine Frau bin, eine trans Frau.

Dass Gott mich so geschaffen hat. Ich war nie ein Mann, Gott hat mich nicht als Mann erschaffen, sondern als Frau.

Dass mit mir nichts falsch ist, dass Trans*sein keine Sünde ist, sondern zur Schöpfungsvielfalt gehört. Dass der berühmte Bibelvers „und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde (…) von männlich bis weiblich schuf er sie“ (so eine moderne Übersetzung) die Geschlechtsidentität des Menschen als nichtbinäres Spektrum beschreibt, nicht als Entweder-oder. Die geschlechtliche Vielfalt des Menschen hat ihren Ursprung darin, dass wir nach dem Bild eines Gottes geschaffen sind, der die Vielfalt liebt. Es sollte nicht nur cis Frauen und cis Männer geben, sondern auch nichtbinäre Menschen, trans* Männer und Frauen, inter*geschlechtliche Menschen. Wir alle sind nach dem Bild Gottes geschaffen – und diese Vielfalt erinnert uns daran, von Gott nicht einfältig zu denken.

Als ich diese Wahrheit erkannte, wurde ich befreit zu einem tieferen Glauben, zu einer neuen Beziehung zu Gott. Mein Glaube dreht sich jetzt nicht mehr nur darum: Wie kann ich frei werden. Ich habe entdeckt, dass Gott viel mehr für mich bereithält. Mein Glaube hat an Weite und Tiefe gewonnen.

Es dauerte sehr viele Jahre, die Wahrheit zu erkennen und freizuwerden. Ich habe einfach zu lange an der irrigen Annahme festgehalten, dass Trans*sein falsch ist, eine Sünde ist. Es hat lange gedauert und die Hilfe einer Meerjungfrau gebraucht, um die Wahrheit zu erkennen.

BDSM und der Rest

Im Nachhinein denke ich nicht mehr, dass BDSM Sünde ist. Aber dennoch bin ich froh, dass es für mich praktisch keine Rolle mehr spielt. Ich bin froh, dass mir Pornografie egal ist und ich nicht mehr masturbieren muss.

Ich bin froh, dass mein Coming-out da einen Schlussstrich gezogen hat. Das war unerwartet, nachdem ich so lange – im Prinzip 40 Jahre, eine ganze Wüstenwanderung – erfolglos versucht hatte, davon wegzukommen.

Kurz nach meinem Coming-out als trans* Frau habe ich erkannt, dass ich asexuell bin, dass ich kein Interesse an sexuellen Beziehungen habe. Das hat für mich (und meine Frau) zur Folge, dass ich mit dem Thema romantische Beziehungen und romantische Liebe viel entspannter umgehe. Da ist ganz viel Druck raus, und das ist gut.

Mein Coming-out hat unserer Ehe sehr gutgetan. Ich bin (jedenfalls nach meiner eigenen Überzeugung) eine weit bessere Ehefrau als ich es damals war, als ich noch vorgab, ein Ehemann zu sein.

Die Frauen in meinem Leben waren wohl dazu da, dass ich meine weibliche Identität auf sie projizieren konnte. Durch sie habe ich versucht, meine weibliche Geschlechtsidentität auszudrücken. Das ist nun vorbei. Meine Frau darf endlich immer und jederzeit sie selbst sein und muss nicht mein Bedürfnis, eine Frau zu sein, für mich erfüllen. Sie kann die Frau sein, die sie wirklich ist. Weil ich nun die Frau bin, die ich wirklich bin.

 
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from Michaela Molthagen

Die anstehende Bundestagswahl ist die erste, bei der gleich mehrere Parteien sehr offen gegen trans* Menschen Partei ergreifen und sich populistisch mit Transfeindlichkeit hervortun.

Das sind die CDU/CSU, die sog. AfD und das BSW. Im Mittelpunkt des transfeindlichen Vorgehens bei diesen drei Parteien stehen das Selbstbestimmungsgesetz und der Umgang mit trans* Kindern und Jugendlichen. Sie alle wollen das Selbstbestimmungsgesetz, das erst seit wenigen Monaten in Kraft ist, mindestens stark einschränken, am liebsten abschaffen.

Sie alle wollen gerade bei trans* Kindern und Jugendlichen die Möglichkeiten zur Transition erheblich beschränken – wobei die Erfahrung aus allen anderen Ländern mit solchen Vorhaben zeigt, dass entsprechende Beschränkungen innerhalb kürzester Zeit immer auch auf erwachsene trans* Personen ausgeweitet werden.

Die größte Bedrohung für trans* Personen wäre selbstverständlich eine Koalition von Union und sog. AfD, Union und BSW oder allen dreien.

Es ist nicht ganz klar, was genau diese drei Parteien planen. Bei der Union kristallisiert sich heraus, dass sie eigentlich nur cis Frauen und Männer akzeptieren und inter*geschlechtliche Menschen (mit einer Variation der Geschlechtsentwicklung) dulden, trans* und nichtbinäre Menschen jedoch nicht. Sie werden das Selbstbestimmungsgesetz wahrscheinlich durch ein anderes Gesetz ersetzen, das keine Selbstbestimmung mehr ermöglicht, sondern Fremdbestimmung, Stigmatisierung und Pathologisierung festlegt.

Zum Glück gibt es auch Parteien, die trans* Personen unterstützen und das Selbstbestimmungsgesetz auf jeden Fall beibehalten wollen, allen voran Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke sowie die SPD.

Ich kann darum nur alle, die der Meinung sind, dass Transrechte Menschenrechte sind, bitten, einer dieser Parteien ihre Stimmen zu geben.

Selbst wenn es zu einer schwarz-roten oder grün-roten Koalition kommen sollte, können diese Parteien die Pläne der Union, Transrechte einzuschränken, verhindern. Am ehesten dürfte dies bei einer schwarz-grünen Koalition möglich sein, da dieser Partei die Transrechte besonders wichtig sind, während die SPD 2021 mit ihrem Nein zum Selbstbestimmungsgesetz (trotz entsprechender Vereinbarung im schwarz-roten Koalitionsvertrag) bewiesen hat, dass ihr Transrechte nicht so wichtig sind.

Ihr würdet also mit beiden Stimmen für die Grünen Transrechte am besten verteidigen. Transrechte sind Menschenrechte und damit nicht verhandelbar.

Darüber hinaus ist jede Stimme für die Grünen auch eine Stimme für Klimaschutz und für eine saubere Umwelt.

Es lohnt sich also, die Grünen zu wählen.

 
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from Frei. Trans. Baptistin.

Auf dieser Erde lebt kein Mensch, der nicht bei Gott willkommen wäre.

Und weil die Kirchen und Gemeinden Gott gehören und nicht uns, sind wir aufgefordert, dass unsere Gemeinden und Kirchen allen Menschen offen stehen.

Egal welche Hautfarbe, egal welcher Herkunft, egal welches Einkommen, egal welcher Gesundheitszustand, egal welches Geschlecht – und auch egal welche geschlechtliche Identität, egal welche sexuelle Orientierung. Für mich als gläubige trans Frau ist ganz besonders der Punkt „geschlechtliche Identität“ wichtig:

Bei Jesus Christus sind wir alle unterschiedslos willkommen, da ist nicht cis oder trans*, binär oder nichtbinär. Bei Jesus sind wir alle miteinander so willkommen, wie wir sind.

Jesus lädt alle Menschen ein – und als seine Kirche, seine Gemeinde ist es unsere Aufgabe, diese Einladung zu unserer Einladung zu machen.

Jesus heißt alle Menschen willkommen – und als seine Kirche, seine Gemeinde ist es unsere Aufgabe, dieses Willkommen zu unserem Willkommen zu machen.

Bei Jesus dürfen alle Menschen ankommen, bei ihm dürfen alle Menschen ein Zuhause haben – und als seine Kirche, seine Gemeinde ist es unsere Aufgabe, dieses Ankommen zu ermöglichen, dieses Zuhause zu bauen.

Als Baptistin wünsche ich mir, dass meine Kirche eine Gemeindebewegung ist, in der alle Menschen willkommen sind. In Geschichte und Gegenwart haben wir in diesem Punkt oft und mit Mutwillen gesündigt, unser Ziel verfehlt. Wir haben Menschen ausgeschlossen. Oft waren das trans* Menschen.

Oft haben wir die Menschen zwar eingeladen, ihnen dann aber durch Worte und Taten verdeutlicht, dass sie, um willkommen zu sein und angenommen zu werden, ihre Lebensweise ändern müssen. Wir haben ihnen viel zu oft gesagt, dass Trans*sein Sünde ist – und dass Gott zwar den Sünder liebt, aber die Sünde hasst.

Aber Gott hat nicht nur cis Menschen geschaffen, sondern auch trans* Menschen. Nicht nur Menschen, die in das binäre Mann-Frau-Schema passen, sondern auch nichtbinäre Menschen. Gott, der uns nach seinem Bild geschaffen hat, hat uns mit einer Geschlechtsvielfalt erschaffen, die uns zeigt, dass wir niemals einfältig von Gott denken dürfen. Gott ist in seinem Wesen vielfältig wie es schon die Dreifaltigkeit erkennen lässt.

Es ist falsch zu denken, Gott hasse geschlechtliche Vielfalt. Nein, er liebt es, dass wir Menschen eine solche geschlechtliche Vielfalt an den Tag legen können.

Und es ist Sünde, diese Vielfalt zu unterdrücken. Es ist Sünde, Menschen in ein binäres Schema zu pressen, das sich nur an einer vermeintlich „einfachen“ Biologie orientiert (die in Wirklichkeit sehr komplex ist). Wir vergessen, dass Gott, der den Regenbogen mit seiner Vielzahl an Farben geschaffen hat, auch den Menschen mit dieser Vielfalt geschaffen hat. Unsere Vielfalt drückt sich nicht nur in verschiedenen Körperformen, Hautfarben, Augenfarben, Haarfarben … aus, sondern auch in einer Vielzahl geschlechtlicher Identitäten.

Bei Gott sind alle Menschen willkommen.

Alle.

Mastodon-Post

 
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from Michaela Molthagen

… desto größer wird meine Angst. Noch nie war sie vor einer Bundestagswahl so groß wie jetzt.

Ich habe Angst, dass zu viele Menschen die sog. AfD oder die vermeintlich „christliche“ Union wählen werden.

Ich habe Angst um mich selbst, weil ich trans bin. Ich habe große Angst um viele meiner Mitmenschen, die nicht deutsch genug aussehen, die hierher geflüchtet sind, die behindert sind, die armutsbetroffen sind.

Je stärker Union und sog. AfD werden, desto schlimmer wird es für viele Menschen in diesem Land werden.

Dazu kommt das große Thema Klimakatastrophe. Union und sog. AfD haben dafür keine zukunftsfähigen Konzepte (wie sie ohnehin für die vielen Probleme unseres Landes keinerlei Lösungen haben, nur populistische Äußerungen).

Ich hoffe, dass möglichst viele Menschen ihr Kreuz bei einer anderen Partei machen, den Grünen, der SPD, der Linken beispielsweise.

Als Christin weiß ich: tiefer als in Gottes Hand kann ich nicht fallen. Aber es gibt keine Garantie, dass es hier nicht ebenso schnell wie in den USA seit Trumps zweiter Präsidentschaft in die Finsternis geht. Ein Bundeskanzler Merz wird diesem Land unermesslichen Schaden zufügen, nur wenige Reiche werden davon profitieren. Für die Mehrheit bedeutet ein Kanzler Merz (zusammen mit Söder, Linnemann, Spahn, Klöckner usw. usf.) eine Katastrophe. Es gibt keine Garantie, dass ich als trans* Frau nach dieser Wahl nicht in ein tiefes (wenigstens nicht bodenloses) Loch gestoßen werde. Ich muss da realistisch sein; am Beispiel der USA unter Trump sehen wir, was trans* Personen wie mir droht. Was Armutsbetroffenen droht. Was Menschen droht, die nicht deutsch genug aussehen. Was Behinderten droht.

Was Demokratie, Freiheit und Vielfalt droht. Was dem Klimaschutz droht.

Überlegt Euch gut, wem Ihr am Sonntag Eure Stimme gebt.

Ich werde meine Stimme den Grünen geben, auch wenn ich nicht alles gutheiße, was die Grünen so tun. Aber für mich ist sie die beste Wahl. Und ich hoffe, dass viele Menschen so denken werden.

 
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from Frei. Trans. Baptistin.

In erster Linie betreibe ich diesen Blog für gläubige trans* Personen, die sich frisch geoutet haben oder noch vor dem Coming-out stehen. Ich möchte zeigen, dass Glaube und Trans* vereinbar sind. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, die eigene skeptische Haltung zum Trans*sein als Christ*in zu überwinden. Insbesondere gilt dies für Christ*innen mit einem freikirchlichen oder evangelikalen Hintergrund.

Zum Zweiten betreibe ich diesen Blog für Christ*innen und Kirchengemeinden, die trans* Personen willkommen heißen wollen – ein Anliegen, das ich natürlich ausdrücklich unterstütze. Es gibt viele trans* Christ*innen, die eine Gemeinde suchen, in der sie willkommen sind, ohne ihr Trans*sein verbergen zu müssen.

Du bist nicht allein …

Ich habe einen evangelikalen und freikirchlichen Hintergrund, bin Mitglied einer Baptistengemeinde in Stuttgart – und ich bin eine trans Frau. Gerade mit diesem frommen Hintergrund war mein Coming-out als trans Frau nicht leicht.

Meinem Coming-out als trans Frau ging vor allem eines voraus: Ich lernte gläubige trans* Menschen kennen und wertschätzen.

Ohne diese trans* Geschwister wäre ich heute vielleicht nicht geoutet. Sie haben mir gezeigt, dass Glaube und Trans* vereinbar sind. Dass Trans* keine „Sünde“ ist oder etwas, das uns vielleicht als „Prüfung“ für unseren Glauben auferlegt ist. Ich lernte von ihnen, dass ich von Gott als trans Frau geschaffen wurde und als die Frau leben darf und leben soll, die ich bin. Ich lernte von ihnen, dass ein Leben als gläubige trans Frau Freiheit bedeutet. Und dass es sich lohnt, trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten.

Meinerseits möchte ich nun zeigen, dass Glaube und Trans*sein vereinbar sind. Dabei habe ich aufgrund meines eigenen Hintergrunds besonders Gläubige mit einem freikirchlichen oder evangelikalen Hintergrund im Blick.

Das ist der wichtigste Beweggrund für diesen Blog. Geschwistern im Glauben, die sich fragen, ob sie trans* sind und wie sie damit umgehen sollen, eine Hilfestellung zu geben.

Bei Gott sind alle Menschen willkommen

Du glaubst, dass bei Gott alle Menschen willkommen sind, auch trans* Personen, und Du willst Deinen christlichen Glauben in Wort und Tat entsprechend gestalten?

Deine Gemeinde möchte trans* Personen willkommen heißen, weil Ihr glaubt, dass bei Gott alle Menschen willkommen sind?

Ich möchte Euch helfen, trans* Personen besser zu verstehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass über uns viele Vorurteile und falsche Informationen im Umlauf sind. Diese Hilfestellung ist der zweite Beweggrund für diesen Blog.

Ich glaube, dass Gott sich über Gemeinden freut, in denen trans* Personen willkommen sind und ein Zuhause finden, eine Aufnahme finden.

Viele trans* Personen haben mit Christ*innen und Kirchengemeinden miserable Erfahrungen gemacht. Wir sind dadurch traumatisiert. Schon Kleinigkeiten können diese Traumata wieder hochkommen lassen und dazu führen, dass wir lieber auf Abstand bleiben. Gebrannte Kinder scheuen bekanntlich das Feuer.

Trans* Personen in einer Gemeinde willkommen zu heißen bedeutet mehr Arbeit als bei cis Personen. Es ist wichtig zu wissen, was trans* Personen verletzt und was für uns von Wert ist. Was uns vermittelt, willkommen (und nicht nur geduldet) zu sein.

Ein Beispiel: Ihr macht Wechsellesungen oder sing Lieder im Wechsel zwischen Frauen und Männern. Damit vertreibt Ihr trans* Menschen fast auf der Stelle. Ihr sprecht nur „die lieben Schwestern und Brüder“ an. Damit reißt Ihr einen Graben zwischen Euch und den trans* Personen, die zu Euch kommen.

Ich möchte Euch zeigen, wie eine Gemeinde für trans* Personen eine Willkommensgemeinde sein kann.

Gerne stehe ich Eurer Gemeinde als Ansprechpartnerin zur Verfügung.

Trans und nichtbinär

Eine Anmerkung noch. Wenn ich von trans* Personen schreibe, umfasst das in der Regel nicht nur trans* Frauen und trans* Männer.

Denn einige Menschen sind nichtbinär, sie ordnen sich also nicht ausschließlich einem Geschlecht zu oder haben gar kein Geschlecht (agender).

Zum Blog

Ich schreibe diesen Blog mit WriteFreely. Aus verschiedenen Gründen ist die Einbindung ins Fediverse derzeit deaktiviert. Momentan ist die Fediverse-Integration eine reine Einbahnstraße, Posts dieses Blogs tauchen zwar im Fediverse auf, aber Replies bekomme ich in WriteFreely nicht angezeigt, was sehr ärgerlich ist.

Ihr könnt mir aber auf meinem Mastodon-Account @michaela@meerjungfrauengrotte.de folgen. Dort weise ich auch auf neue Blog-Posts hin.

Weiterhin könnt Ihr diesem Blog per RSS folgen: write.molthagen.de/frei/feed. So bekommt Ihr alle neuen Blog-Posts in Eurem Newsreader angezeigt.

Außerdem finden sich auf meiner Homepage weitere Informationen zum Thema dieses Blogs, also Glaube und Trans*sein, z.B. häufige Fragen (FAQ) oder ein kleines Lexikon.

 
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