Was ist eine Frau?

Diese Frage stellen transfeindliche Personen und sog. TERFs derzeit im Vorfeld der kommenden Bundestagswahl, kopiert von einer Kampagne aus den USA.

Dabei handelt es sich nicht um eine echte Frage, sondern um eine Fangfrage, um herauszufinden, ob Politiker*innen, die für den Bundestag kandidieren, transfreundlich sind oder nicht.

Die einzige Antwort, die Transfeind*innen und TERFs als richtig akzeptieren wollen, lautet: „Eine erwachsene weibliche Person, deren Biologie darauf ausgelegt ist, zu gebären“.

Frausein wird also auf die Fähigkeit zur Reproduktion reduziert. Das sei angeblich aus Sicht der Biologie die einzig korrekte Antwort: Frauen produzieren große Keimzellen und können gebären. Manche fügen noch hinzu: Frauen menstruieren während einer bestimmten Zeitspanne, zwischen Pubertät und Klimakterium.

Alles andere, was Frausein ausmacht, klammern sie aus. Eine vom biologischen Geschlecht unabhängige Geschlechtsidentität kennen sie nicht. Es gibt Frauen und Männer, und das Geschlecht wird allein von den Reproduktionsorganen bestimmt.

Ist eine Frau also nur eine Gebärmutter auf Beinen?

Für Transfeind*innen und TERFs erschreckenderweise ja. Sie merken gar nicht, wie misogyn diese Auffassung ist.

Für Transfeind*innen und TERFs gibt es nur zwei Geschlechter. Alles andere, etwa Inter*Geschlechtlichkeit, ist ein defekter Mensch.

Es gibt keine nichtbinären Menschen, keine agender Menschen und natürlich auch keine trans* Menschen.

Es gibt für Transfeind*innen und TERFs keine geschlechtliche Vielfalt jenseits des binären Konzepts von Mann und Frau. Es gibt nur diejenigen, die zeugen – und diejenigen, die gebären.

Eine unheilige Allianz

Im Grunde genommen ist es dasselbe Konzept von Geschlecht, dass auch fundamentalistische Christ*innen haben, wenn sie ausgehend von dem Bibelvers „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau“ (1. Mose 1,27 nach Luther) glauben, dass es nur Männer und Frauen gibt.

So sind die Überzeugungen von Transfeind*innen und TERFs sowie christlichen Fundamentalist*innen in diesem Punkt kompatibel. Darum verstehen sie sich in diesem Punkt auch außerordentlich gut.

Biologie oder Ideologie?

Für Transfeind*innen und TERFs ist das Biologie – allerdings gehen die meisten Biolog*innen bei diesem Konzept heutzutage nicht mehr mit, zumal jeder wissenschaftliche Beweis für diese These fehlt. Je mehr wir über das Geschlecht des Menschen lernen, umso mehr verstehen wir, dass Geschlecht nicht binär ist – und eine entsprechende Sicht auf das Geschlecht weit mehr Ideologie als Biologie.

Wir wissen heute, dass Geschlecht aus biologischer Sicht ein komplexes System ist. Schon in der Tierwelt wird von Zoologen und Biologen zunehmend geschlechtliche Vielfalt erkannt, es ist nicht eine Eigenart oder ein „Trend“ beim Menschen.

Geschlechtliche Vielfalt beim Menschen ist seit Langem bekannt, auch wenn es viel zu lange tabuisiert war und geschlechts-diverse Menschen größtenteils gezwungen waren, ihr wahres Geschlecht zu verstecken.

Wir gehen heute davon aus, dass die Geschlechtsidentität des Menschen durch bestimmte Geschlechtshormone bereits während der Schwangerschaft festgelegt wird – und dass die Geschlechtsidentität grundsätzlich ein bimodales Spektrum ist, kein Entweder-oder.

Das Gehirn als Sitz unserer Geschlechtsidentität ist auch biologisch betrachtet das größte Geschlechtsorgan des Menschen und bestimmt, ob wir Frau sind oder Mann oder nichtbinär oder weder Mann noch Frau.

Die Frage, „was ist eine Frau?“, kann nur mit dem Hinweis auf geschlechtliche Vielfalt beantwortet werden. Es gibt nicht die Frau. Jede Frau ist eine von vielen verschiedenen Personen auf einem Spektrum. Für jede von uns bedeutet unser Frausein etwas anderes. Und das ist auch gut so. Es wäre schlimm, wenn wir alle bestimmten Zuschreibungen genügen müssten und kein Raum für unsere Individualität bliebe.

Jede Schwarz-Weiß-Beschreibung von Frau (oder Mann) verbietet sich. Wir sind alle einzigartig, nicht je nach Geschlechtschromosomen Abziehbilder von entweder Adam oder Eva, mehr als nur Erzeuger oder Gebärerin.

Unser Geschlecht ist nicht dazu da, bestimmten Zuschreibungen und gesellschaftlichen Forderungen zu genügen. Es ist dazu da, dass wir uns an einer bunten Vielfalt erfreuen können, die alle von uns einzigartig macht.


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