Macht es euch zur Aufgabe, Fremde zu lieben!

„Macht es euch zur Aufgabe, Fremde zu lieben“ und „vergesst nicht, Fremde zu lieben!“ – So können wir zwei Aussagen der Bibel in Römer 12,13 und Hebräer 13,2 übersetzen.

Das griechische Wort, das in beiden Versen (und im Neuen Testament auch nur dort) vorkommt und im Deutschen oft mit „Gastfreundschaft“ übersetzt wird, lautet philoxenia. Es setzt sich zusammen aus „philos“, was im Deutschen „lieben“ bedeutet (die freundschaftliche Liebe), und „xenos“, im Deutschen „fremd, Fremde*r“. Es ist geradezu ein Gegenbegriff zu „Xenophobie“, also die in Ablehnung begründete Angst vor Fremden.

Römer 12,13-14

„Helft Gläubigen, die sich in einer Notlage befinden. Lasst sie mit ihrer Not nicht allein. Macht es euch zur Aufgabe, Fremde zu lieben. Segnet die, die es sich zur Aufgabe machen, euch zu verfolgen, segnet sie, verflucht sie nicht!“

Ab Vers 8 geht es im zwölften Kapitel des Römerbriefes um das Leben in der Gemeinde und um das das Verhalten gegenüber Nichtchrist*innen. Vers 13a gehört zweifelsfrei zum Leben in der Gemeinde, Vers 14 zu Verhalten gegenüber Nichtchrist*innen. Vers 12 ermahnt uns, Gläubigen in einer Notlage zu helfen und sie in ihrer Not nicht allein zu lassen. Vers 14 ruft uns auf, die zu segnen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, zu segnen und nicht zu verfluchen.

Wohin gehört nun unser Vers 13b „macht es euch zur Aufgabe, Fremde zu lieben“? Zum Leben in der Gemeinde oder um das Verhalten gegenüber Nichtchrist*innen?

Interessant ist, dass in Vers 13b und Vers 14 dasselbe Wort vorkommt, das griechische dioko, zu Deutsch „verfolgen, vertreiben, nachstreben, nachjagen“.

In Vers 13b habe ich es in Anlehnung an die Neue Genfer Übersetzung (NGÜ) mit „macht es euch zur Aufgabe“ übersetzt. Andere übersetzen beispielsweise mit „übt“ oder „trachtet“.

In Vers 14 übersetzen die meisten Bibeln dieses Wort mit „verfolgen“. Um zu verdeutlichen, dass das griechische Wort aus 13b auch in Vers 14 steht, habe ich hier „die es sich zur Aufgabe machen“ ergänzt, wörtlich steht dort, „die euch verfolgen“.

Dass Paulus dasselbe Wort in Vers 13b und 14 verwendet, deutet darauf hin, dass er hier verdeutlichen will, dass die Liebe zu Fremden (philoxenia) auch bedeutet, diejenigen von ihnen, die uns verfolgen, zu segnen und nicht zu verfluchen.

Ich habe also den Eindruck, dass „macht es euch zur Aufgabe, Fremde zu lieben“ zu beiden Abschnitten gehört, zum Leben in der Gemeinde und zum Verhalten gegenüber Nichtchrist*innen.

Dann ist Xenophobie, also Fremdenfeindlichkeit, mit dem christlichen Glauben unvereinbar. Uns ist Philoxenia, die Liebe zu Fremden, geboten, nicht Xenophobie, ablehnende Angst vor Fremden, also Rassismus.

Hebräer 13,2

„Vergesst nicht, Fremde zu lieben. Durch ihre Liebe zu Fremden haben einige, ohne es zu wissen, Engel bei sich aufgenommen“.

Die meisten Bibelübersetzungen schreiben „Gastfreundschaft“, wo ich „Liebe zu Fremden“ übersetzt habe, da im Griechischen philoxenia steht.

Ich glaube, dass Gastfreundschaft unter Christ*innen, wie viele Ausleger*innen annehmen, zu kurz greift. Ich denke, der Verfasser des Hebräerbriefes will wie Paulus betonen, wie wichtig es ist, dass sich die Bereitschaft, Menschen willkommen zu heißen und aufzunehmen, auch auf Fremde bezieht. Da denke ich auch an Jesu Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner, der sich eines Fremden angenommen hat.


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